Samstag, 3. Dezember 2011

Das dritte 180°-Adventskalendertürchen vom 3.12.2011: Stille Nacht

Hallo .. ist da jemand? Hört mich jemand? Hallo? Da quäle ich mich am Samstag frühmorgens aus dem Bett, nachdem ich beim traditionellen Öffnen des traditionellen Adventskalendertürchens vom traditioneller Eröffner mit Entsetzen festgestellt habe, dass ich mitnichten noch massig Zeit ... 
Huhu? Ihr werdet schon noch herfinden, nachdem der traditionelle Adventskalender eine neue, gastliche Heimat bei den Chefinnen und dem Praktikanten von hundertachtziggrad gefunden hat. Also ... falls mich jemand hört ...


Himmlische Stille. Geradezu beängstigend. Ja, ist denn schon Weihnachten? (Müsste da nicht wenigstens ein Handy klingglöckchenklingelingelingeln?)
Aber jetzt, wo ich die Ohren spitze, ist sie da, die geräuschvolle Welt da draußen - manchmal hilft es schon, die dicke Daunendecke vom Kopf zu ziehen. (Immerhin, es stürmt nicht. Es hat in den vergangenen Tagen ja auch genug Wind und Schüttstürme gegeben, ob nun um Herrn Schlechtental, TV-Koch Sockenback oder die böse Firma B-du-der. Kleiner Exkurs. Auch wenn heute nicht Freitag, sondern Samstag ist.) 


Also, hallo Welt, guten Morgen! 
Der Nachbar bollert mit dem Trecker um die Ecke, der Bäcker hört Volksmusik und hat dankenswerterweise die Tür zur Backstube offen gelassen, damit ich auch was davon habe, in der Restaurantküche gegenüber scheppern die Pfannen.
Vor der Wohnungstür jault die Katze, im Arbeitszimmer wetzt der Kater an der Tür, in der Küche röchelt die Kaffeemaschine. 


Und ganz, ganz leise dringt aus dem Arbeitszimmer ein schüchtern blubberndes “Blobb”.
Das ist der tägliche Gärgruß des Glasballons mit flüssigem Gold. Riesling, gepresst aus rosinengroßen, dunkellila verfärbten Trauben, mit sattem Quatschen und sauberen Gummistiefeln eingemaischt, über viele Stunden lärmend und zischend gepresst, satt pastös aus der Presse tropfend, löffelweise mit dem Teigschaber aus der viel zu großen Kelterwanne gekratzt.
Das sind nachgerade himmlische Geräusche!

Im Advent sollen wir ja besonders gut zuhören, die frohe Botschaft vernehmen, den Glocken und Posaunenchören lauschen, den vielstimmigen Kinder(garten)chören, der Weihnachtsgeschenkewerbung und dann auch noch dem, was in uns nachklingt.

Dazu gehört das Geräusch, mit dem die ersten Trauben im Herbst in die leeren Lesekisten fallen. Ein sattes, saftiges Klonk, jetzt beginnt die schönste und die anstrengendste Zeit im Weinberg. Ein wunderbarer Herbst war das, ich habe noch die heiseren Schreie der ziehenden Wildgänse im Ohr, die Rufe der Kraniche, das Schnappen der Scheren, das dumpfe Poltern der schweren Lesekisten, die steilhangabwärts geschleppt werden. 



Wenn abends die ersten Tropfen aus der Kelter kleckern, ist das der Startschuss für die nächste Geräuschkaskade. Das Brummen der Pumpe, das Rauschen des trüben Saftes in die Tanks, nach Tagen dann das erste, zarte Knistern der Gärung, und dann der Taktschlag der Gärverschlüsse.
Und nun beginnt auch hier die Zeit des Wartens. Nicht auf das Christkind, aber wünschen darf man sich trotzdem etwas. Alle Jahre wieder ist es ein Bangen und Hoffen, und am Schluss irgendwie auch überraschend. Ein Geschenk in jedem Fall - nur umtauschen kann man es nicht.


Und dann das Geräusch, wenn der Korken aus der Flasche … *duck*. Wer mich kennt, weiß, dass ich das leise metallische Knacken eines Drehverschlusses jedem romantischen “Fomp” vorziehe. Und jedem geröchelten Fluch, wenn der andächtig für gute Stunden zurückgelegte Wein dann … Aber lassen wir das, es ist Weihnachtszeit, und da soll man nicht fluchen.


Eigentlich, ganz streng genommen, sollte man auch nicht üppig essen und trinken, fasten, sich besinnen. Aber weil 180° ja ein Foodblog ist, verschiebe ich das mit dem Fasten auf später und lausche auf das göttliche Blubbern einer süßen Weincreme im Topf, auf das silberhelle Klirren der Löffel in den ausgekratzten Dessertschälchen und auf das üppige Schwappen eines ganz klassischen restsüßen Kabinetts im Glas. Und weil ja bald Weihnachten ist, gibt es Wein, Winzer und Rezept dazu.

2010 KabiNett
Nierstein Riesling
Weingut Schätzel

11 %
Ein im allerbesten Sinne klassischer, restsüßer Riesling, im großen Holzfass ausgebaut, wie alle Schätzel-Weine. Für mich ein schöner Freitagabend-Wein, bei dem der Lärm der Woche verklingt.


Und als ich diesen Wein zum ersten Mal probieren durfte, servierte die Winzermutter dazu ein ganz simples, aber bestechendes Dessert, dessen Rezept sie freigiebig verriet und das ich gerne zum Nachkochen empfehle.

Nanne Schätzels Weincreme
1/2 Liter Wein (Reste, die rumstehen, ich nehme dazu eine schrottige überreife 2003er trockene Riesling Spätlese trocken von einem nicht genannt werden wollenden mir persönlich bekannten Winzer, von der ich noch ZIEMLICH viel im Keller liegen habe

4 Eier
120-150 Gramm Zucker
1 Päckchen Vanillezucker oder etwas Vanillemark
1 Prise Salz
1 Päckchen Vanillepuddingpulver 40 Gramm Speisestärke

1 Becher Sahne

Stärke in ca. 50 ml Wein auflösen. Wein mit Zucker, Salz und Vanilleschote/-zucker aufkochen lassen, vom Herd ziehen, verklepperte Eier einrühren, noch einmal kurz aufwallen lassen.
Unter gelegentlichem Rühren abkühlen lassen, steifgeschlagene Sahne unterziehen.

Mit etwas Zimt oder Muskatblüte oder Piment oder Ingwer oder Tonkabohne oder Potpourri oder oder oder lässt sich das auch weihnachtlich pimpen - ich bin sicher, dass morgen Abend bei uns zum Dessert gefräßiges Schweigen herrscht, oder auch ... himmlische Ruhe.