Donnerstag, 23. Februar 2012

Bio. Logisch.


Heute also Biowein. Meine erste Begegnung mit Biowein liegt viele, viele Jahre zurück, angepriesen und verkauft wurde er mir im, logisch, Bioladen meines Vertrauens. Ich hatte damals noch nicht viel Erfahrung als aktive Trinkerin, aber meine Geschmacksnerven funktionierten einwandfrei, und was soll ich sagen, das war eine schale, säuerliche, rote Plempe aus Apulien. Pfui.
Allerdings gab es auch damals schon schale, säuerliche Plempe, nicht nur aus Apulien, auf der nicht „Bio“ draufstand. 

Und: Das Label an sich war für mich noch nie ein Kaufargument.
Wenn erfolgreiche und möglicherweise renommierte Weingüter sich zertifizieren lassen, finde ich das wunderbar, wenn das Ergebnis stimmt. Und auch im Mittelfeld haben die Bioweingüter (in Deutschland, übers Ausland kann ich in diesem Punkt wenig sagen) ihre Weine in den letzten, sagen wir, 10-15 Jahren qualitätsmäßig enorm verbessert.
Und wenn ich durch Blogevents wie die Biowein-Offensive von Dirk Würtz auf mir bisher unbekannte Winzer stoße – um so besser. 

Das Paket kommt vom Weingut Frank Brohl aus Pünderich an der Mittelmosel, drin: Riesling. Schon mal gut.Und zwei trockene - noch besser. Oder so.

Jutta und Frank Brohl bewirtschaften seit 1984 ca. 7 ha Weinberge unter ökologischen Gesichtspunkten und sind Mitglied bei ECOVIN. Die Weinberge liegen in Pünderich (Marienburg, Nonnengarten und Rosenberg) und in den weniger bekannten Reiler Lagen Mullay-Hofberg und Goldlay. Zwei Drittel der Fläche ist mit Riesling bestockt. Probiert habe ich, nein, haben wir folgende Weine:


2010 Heartbreak
Riesling  Hochgewächs trocken 
vom Schiefer
11,0 % vol., 9,9 g RZ, 8 g S
Schraubverschluss
6,50 Euro


Der Name Heartbreak wurde von der traditionellen Rebenerziehung an der Mosel inspiriert, schreibt das Weingut auf seiner Homepage.

In der Nase sauerkrautiger Duft, ein bisschen dumpf, nicht sonderlich frisch. Mit mehr 
Luft dezente Zitrusaromen, irgendwann setzt sich der Schiefer durch, aber auch sehr verhalten.

Auf der Zunge krautige, vegetabile Noten, rustikal, schon ein bisschen gezehrt wirkend, mittlerer Körper, verhaltener Abgang.
Wo bleibt bloß die Frucht? Die Süße klebt als Film auf den Lippen, mit mehr Luft spürt man die Schiefermineralik auch am Gaumen, leider sofort überlagert von diesen Krauttönen.
Ok, der Wein braucht noch viel mehr Luft, wir lassen die Flasche mal eine Nacht stehen

Tag 2
Hey, der Wein hat Frucht! Steinobstduft, ein bisschen zitronig, rosa Grapefruit, unreife Aprikose und grüner Apfel. Deutlich besser als bei der ersten Verkostung, aber irgendwie ... unfokussiert.
Gute Säure, die neben Restsüße und Frucht steht, das alles leicht, aber nicht filigran, ein bisschen schwach auf der Brust.
 
Wein, was willst Du sein? Für uns jedenfalls kein Herzensbrecher. Sorry.


2009er Pündericher Nonnengarten
Riesling Spätlese trocken
13,0 % vol, 7 g RZ, 8g S
Naturkork
9 Euro

Vegetabile Noten im Duft, verhaltene Frucht, Steinobst, Bienenwachs, Zitrusfrüchte, ein bisschen brotige Noten, ganz zart grüne Haselnuss.

 Auf der Zunge eine kühle, würzige Mineralik, ein bisschen scharf, schön straff, adstringierend, mit guter Länge.
Wir probieren es mit mehr Luft ... und schmecken mehr Frucht, aber immer noch vorherrschende vegetabile Noten. Süßlicher Alkohol, insgesamt aber viel besser als der Herzensbrecher.

Das dürfte ein guter Essensbegleiter sein, zu gebratenen Kalbspaillards, Huhn mit Pilzen und sahniger Sauce, Morcheln, Wachteln, gebratenem Perlhuhn.

Auch dieser Wein hat eine zweite Chance und schmeckt am Folgetag sehr viel charmanter, offener. Gut gemacht! Allein: Er taugt für unseren Geschmack weder zum "Feierabend-" noch zum "Meditationswein", und bekommt darum leider einen Korb.

Einen haben wir noch ...

2010er Pündericher Marienburg
Riesling Spätlese **
8,5 % vol., 97 g RZ, 10 g S
Naturkork
11,50 Euro

In der Nase ... überraschend ... krautig. Aber dann drängeln sich Zitrus, Steinobst und Mineralik nach vorne, yeah, wir sind an der Mosel angekommen!

Am Gaumen schöner Schmelz, saftige Frucht, sauber, nicht übermäßig komplex, aber sehr rein, klar und stimmig. Schönes Süße/Säurespiel, ordentlich Druck, aber unterm Strich kein strahlender, feiner, eleganter Wein, sondern ein etwas rustikaler Bursche, der trotzdem was kann. Und wieder: Auf der Zunge deutlich besser, als der Duft verhieß.
Schmeckt! Gut! 

Resümmee?


Tja. Die Weine sind alle sehr ordentlich gemacht, aber keine  ... großen Weinpersönlichkeiten. Eher rustikal und ein bisschen ruppig, ok, besser so, als niedliche Möselchen. Den Vorwurf der Weichspülung und Totschönung oder Entsäuerung kann man den Brohls weiß Gott nicht machen ;-).
Also auch keine glatten Schmeichler, mit Luft gewinnen sie alle, aber ... uns fehlt die Finesse, Komplexität, Tiefe.

"Bio ist schrecklich" wird klar widerlegt, aber "Bio ist per se geil" passt auch nicht.
Unseren Geschmack - und, ehrlich, darum geht es bei der Kaufentscheidung - treffen die Weine von Brohl (noch?) nicht zu 100 Prozent.

ABER: Wir werden die 2011er von Brohl probieren, denn wir sind neugierig geworden. 

Und was heißt das für Euch? Probiert selbst.
Skål!