Sonntag, 1. Juli 2012

Roussiwas? Roussillon!

Weinreisen bilden, Weinproben aber auch. Und um so mehr, wenn die Vorauswahl durch einen renommierten, profilierten und versierten Sommelier, in diesem Fall Guy Bonnefoit, erfolgt. 

Es ging ums Roussillon, zehn Weine, zehn Typen, zehn Profile.

Und es ging ums unterschätzte Roussillon – bekannt und berühmt ist der französische Südwesten vor allem für seine Vins doux naturels, deren Tradition Hunderte von Jahren zurück reicht. Eine Region mit großer Vergangenheit: Das Roussillon gehört erst seit rund 400 Jahren zu Frankreich, ursprünglich war es Bestandteil des Königreichs Mallorca, gesprochen wurde dort also Català, was sich bis heute in Eigennamen und Bezeichnungen – auch in der Weinsprache – niederschlägt. Als Erfinder des Vin doux naturel, der zunächst rein aus Muscateller/Moscatel/Muscat hergestellt wurde, gilt der Arzt Arnaldus de Villanova, der Ende des 13. Jahrhunderts an der Universität von Montpellier lehrte.

Dass heute unter den Appellationen Côtes du Roussillon, Côtes du Roussillon Villages und Collioure auch kräftige Rotweine, vornehmlich aus Syrah, Grenache noir, Carignan und Mouvèdre, erzeugt werden - hinlänglich bekannt. Weißweine aus dem Roussillon? Bislang eher Nischenprodukte, zu Unrecht, wie diese kleine Probe bewies.

Zehn Weine also, fünf klassische Vins doux naturels, aber zunächst fünf Weine aus den Weiß- und Rotweinappellationen.

2008 Côtes du Roussillon blanc A.O.C., „Les Sorbiers“, Vielles vignes
Domaine des Chênes, Razungles&Fils
14%
Eine Cuvée aus Grenache blanc (60%) und Macabeu (40%), gewachsen auf steinigem Lehm-Kalk-Boden, auf der Feinhefe liegend im Barrique ausgebaut.
In der Nase leicht medizinale Noten, Jod, getrocknete Orangenschalen, ein bisschen Liebstöckel und Lorbeer, nussige Holzwürze.
Auf der Zunge trocken und leicht salzig, vegetabile Töne, kräutrige Würze, alkoholbetont, gute, feste Länge.
Schöner weißer Einstiegswein auf hohem Niveau, Bonnefoit empfiehlt dazu Meeresfrüchte und Fisch, nicht allzu rustikal zubereitet.

2010 Côtes du Roussillon rosé A.O.C., Trémoine de Rasiguères
Les Vignerons de Planézes, Rasiguères
13,5%

Überwiegend Syrah (75%) mit etwas Grenache noir (15%) und Carignan (10%), gewachsen auf Böden, die vorwiegend aus Schiefer mit etwas Granit bestehen.
Der Wein überrascht durch seine eigenwillige Farbe, ein helles, dünnes Erdbeerrot, das sehr rosé-untypisch wirkt.
Feiner kirschiger Duft, leicht alkoholisch, ein bisschen flüchtig, dropsige Noten, Gewürztöne, die an Wacholder und Anis erinnern.
Auf der Zunge süßliche Frucht, Kirsche, Himbeere, rote Pflaume, leicht austrocknend, würzige Noten, Strohblume und Heu, ein bisschen laktisch, etwas künstlich und dropsig.
Ein guter Sommer- und Terrassen-Rosé zu mediterraner Sommerküche, Fisch, Gemüse, durchaus auch zu einer rustikalen Pizza, eine klassische Pissaladière würde dieser Wein ebenfalls gut begleiten.

2008 Côtes du Roussillon Villages A.O.C., Château de Pena
Cave des Vignerons de Cases de Pène
14%

Grenache noir (40%), Syrah (35%) und Carignan (25%), die Syrah- und Grenachetrauben wurden vor dem Keltern entrappt, der Carignan wurde mittels Kohlensäuremaischung (macération carbonique) vergoren, danach erfolgte der Ausbau für 12 Monate in neuen Holzfässern.
Die Weinberge stehen entlang der Anhöhen von Corbières auf Mergel und schwarzem Schiefer, perfekt nach Süden hin ausgerichtet.
Süßlicher, intensiver Duft nach Mokkaschokolade, Leder, schwarzen Beeren und Gewürznelken, ein bisschen Veilchen und Fliederbeere, leicht salzige mineralische Noten.
Im Mund kräftig und stoffig, wuchtiger Körper, dicke Frucht von schwarzen Beere, Dörrzwetschgen, süßliche Töne, Schokolade, Kakao, Mokka, unterlegt mit viel salziger, straffer Mineralik.
Ein Wein, der erst im Anfang seiner Entwicklung steht, ein hervorragender Essensbegleiter. Gut vorstellbar zu Wild, Lamm, kräftigen Schmorgerichten, aber auch zum Käse.

2008 Côtes du Roussillon Villages Tautavel A.O.C., ”Prieure”
Domaine Fontanel, Estagel
14,5%

Überwiegend Syrah (65%) mit Grenache (25%) und einem kleinen Anteil Mourvèdre (10%), vor dem Keltern entrappt, 25 Tage Maischegärung, danach 18 Monate in neuen Eichenfässern ausgebaut, die Reben wachsen auf extrem trockenen und steinigen Lehm-Kalkböden.
In der Nase dichter, stoffiger Duft nach schwarzen Früchten, Leder, Zimt, leicht medizinale Noten, animalische, fleischige Anklänge, kräutrig, ein bisschen nach Eisen und rohem Blut.
Am Gaumen süßliche Frucht, Holunder, getrocknete Datteln, Schlehe, sehr mineralisch, wieder Eisen, Blut, Teer und Graphit. Deutlicher Alkohol, lang, ein bisschen austrocknend.
Ein fleischiger Wein, der sicher gut mit rotem Fleisch harmoniert, mit Zubereitungen mit Karamell und süßlichen Noten, der es auch gut mit erdigen Aromen von Pilzen oder Roter Bete aufnehmen kann.

2008 Collioure rouge A.O.C., “La Pinède”
Domaine La Tour Vieille, Collioure
13,5%

Eine Cuvée aus Grenache noir aus 30 bis 40 Jahre alten Reben (75%) und Carignan (25%), ebenfalls aus einer 40 Jahre alten Anlage, gewachsen auf reinem Kambriumschiefer.

In der Nase deutlich Cassis und Brombeer, Heu, Gewürznoten von schwarzem Pfeffer und Nelke, leicht animalisch wirkend, Anklänge von Bitterschokolade, Mokka und Salmiakpastillen.
Auf der Zunge viel dicke, süßliche Frucht, Eukalyptusnoten, grüne Paprika, eine leichte Schärfe, sehr dicht, aber auch sehr straff gewirkt, unterlegt mit kräftiger Mineralik.
Wieder ein Fleisch-Wein, gebratenes Wildgeflügel oder Fleisch vom Grill dürften bestens dazu passen, gerne auch mit schwarzen Beeren in der Sauce, auch ein nicht zu reifer Roquefort ist als Begleitung gut vorstellbar.

Die folgenden fünf Weine gehören zu den typischen Roussillon-Gewächsen, Vins Doux Naturels, kraftvolle, süße Rot- und Weißweine, deren Gärung durch Zugabe von Branntwein gestoppt wurde, so dass sowohl Alkohol als auch Zucker generell hohe Werte erreichen. Interessanter Nebenaspekt dieser Probereihe waren die deutlich schmeckbaren unterschiedlichen Stile.

2009 Muscat de Rivesaltes V.D.N.A.O.C., Arnaud de Villeneuve
Les Vignobles du Rivesaltes, Rivesaltes
15,5%

Dieser Vin doux naturel wurde aus Muscat gekeltert, je zur Hälfte aus Muscat à petits grains und Muscat d’Alexandrie, einer Spielart, die heute vor allem in Spanien verbreitet ist.
Der Wein hat eine zwölfstündige Maischestandzeit durchlaufen und lag die letzten sechs Monate vor dem Abfüllen auf der Feinhefe, die Rebstöcke stehen auf Lehm-Kalk.
In der Nase klar und strahlend, reife, saftige Aprikosenfrucht, Honig, Salzkaramell, cremiger Schmelz.
Auf der Zunge kandierte exotische Früchte, Ananas, süße Honigmelone, Minzaromen, Zitronenmelisse, zarte Ingwertöne, ein bisschen Menthol, sehr cremig und weich.
Gut vorstellbar zu Desserts mit Melone und Steinobst, zu Gerichten mit Ziegenfrischkäse, Lavendelhonig, Thymian, aber auch zu feinen süßen Mehlspeisen.

2007 Muscat de Rivesaltes V.D.N.A.O.C. “Biodynamie”,
Domaine Cazes, Rivesaltes
15%

Eine Cuvée aus Muscat à petits grains und Muscat d’Alexandrie, gewachsen auf Kambriumschiefer.
Saftiger, straffer und fester Duft nach kandiertem Steinobst, reifen Mirabellen, Orangenschale, rosa Grapefruit, Honig und Bienenwachs.
Auf der Zunge sehr orangig, süße, rosa Grapefruit, Rosenholz, Zedernholz, ein bisschen Bitterschokolade,kandierter Ingwer, florale Anklänge von Jasmin und Lindenblüte, oxidativer Stil.
Ein Wein, der viel Luft braucht, um sich zu entfalten, der spontan unzugänglichste unter den fünf Vins doux naturels, der sich im Laufe des Abends aber zum heimlichen Star mauserte.
Ein schöner Begleiter klassischer Desserts, von der Crème brûlée über Birne mit Roquefort zu Ziegenquarkzubereitungen, auch zu buttrigen Blätterteigvariationen mit Crème und pochierten Früchten.

2004 Rivesaltes Ambré Hord d’Âge V.D.A.O.C., Château Les Pins,
Vignobles Dom Brial, Baixas
16%

Überwiegend aus Macabeu (50%) gekeltert, dazu in gleichen Teilen Grenache blanc (25%) und Malvoisie (25%), das Durchschnittsalter der Rebstöcke liegt bei 25 Jahren, der Ertrag  wurde auf 30hl/ha heruntergefahren, die Weine wachsen auf steinigen Terrassen aus dem Quartär.
In der Nase viel Orange und süße Mandarine, Dörraprikose, Verveine, Angostura, leicht medizinal, dazu süßlicher malziger Pumpernickelduft und würzige Sellerienoten.
Auf der Zunge wirkt der Wein überraschend, Walnuss, schwarze Möhre, Kaffeelikör und Sandelholz, wieder malzige Noten, Spekulatiusaromen, Liebstöckel und Wiesenheu.
Der erste Vin doux naturel des Abends, den man sich auch als Apéritif und zur Foie gras oder selbst zu Schmorgerichten vorstellen kann, aber natürlich auch zu Desserts mit Bitterschokolade und Weihnachtsgewürzen.

2000 Banyuls V.D.N.A.O.C.,
SCV Le Dominicain, Banyus-sur-Mer
16,5%

Ein reiner Grenache noir, lange Maischestandzeit in den traditionellen kegelförmigen Holzfudern, die Weine wachsen auf Kambriumschiefer.
Tiefer, intensiver Duft nach Kakao, Tabak, Sojasauce und schwarzen, konfierten Kirschen, fast wie ein alter Sherry P.X., kandierte Zitrusschale, ein bisschen scharfe Minze, Malz, Zimt, geschmorte Zwiebel.
Auf der Zunge ein Geschmack nach Melasse und süßem, feuchten Schwarzbrot, Schwarzkirsche, Malz, schwarze Möhre, würzige Noten im Abgang.
Wieder ein Wein, der nicht nur mit Süßem harmoniert, zu Trüffelgerichten dürfte er eine hervorragende Ergänzung sein sein. Er passt aber natürlich auch zu dicken Desserts, klassischem Frankfurter Pudding, vielen (Bitter-)Schokoladenvariationen und zum Käse.

2000 Maury rouge Prestige V.D.N.A.O.C.,
Domaine du dernier Bastion, Maury
15,5%

Dieser Wein ist eine Cuvée aus Grenache noir, Grenache gris und Macabeu, gewachsen auf grauem Schiefer, mit einem Ertrag von nur 22hl/ha, sieben Jahre lang nach traditioneller Weise in alten Eichenfässern ausgebaut.
Intensiver Duft nach Pomeranzen und getrockneten Datteln, nussige Noten, kandierter Ingwer, Malz, Karamell, sehr reifer Balsamico, Lorbeer und Wacholder, ein bisschen Sojasauce, Heu und Waldboden, Melasse, Lebkuchen, Armagnacpflaume.
Auf der Zunge dicht, fest, wuchtig, süßlicher Esskastaniengeschmack, Kastanienhonig,nussige Noten, exotische Gewürze, viel dunkles Karamell, unter allem eine typische schiefrige Mineralik.

Ein grandioser Wein, extrem oxidativ, extrem überraschend. Als Begleitung zum Essen könnte er das ganze Spektrum von der deftigen Wildterrine zur Vorspeisen über geschmorten Ochsenschwanz oder braisierte Ente bis zu fast allen Käsevariationen und final dem Dessert abdecken. 

Roussillon?  Ja, und wie!