Freitag, 28. Februar 2014

Weinrallye #71 - Asylsucher im Glas oder mein Lieblings-Immigrant im Weinregal

http://chateau-et-chocolat.blogspot.de/2014/02/weinrallye-71-asylsucher-im-glas-oder.htmlWer mich und uns ein bisschen kennt, weiß, dass in unserem Hauptkeller ausschließlich deutscher Riesling liegt und in unserem Vorratskeller, nun, vorwiegend Riesling, ein bisschen was aus dem europäischen Ausland, eigentlich nichts aus Übersee. Denkbar schlechte Voraussetzungen für die Teilnahme an der Weinrallye zum Thema “Immigranten”. Zwar sind die Flaschen mit Migrationshintergrund fast allesamt selbst importiert, aber viel wird dann doch an einem schönen Abend mit Freunden und Erinnerungen an zwar kurze, aber intensive Urlaube zeitig getrunken.

Dass mir trotzdem etwas passend zum Thema ins Glas gekommen ist - purer Zufall. Und so ganz stimmt das auch nicht mit dem Immigranten, der Wein ist eher - ja, was nun, assimiliert? Integriert? Inkludiert? Was wiederum durchaus zum Thema passt und ein anderes Mal …

Zur wenig feierlichen Feier eines unrunden Geburtstags (feierliche Feiern haben bei uns keine Tradition) wollen wir (mit einem Riesling) “außer Haus” anstoßen. Nicht ganz einfach an Weiberfastnacht, wenn man weder lustige Kostüme noch lustige Girlanden noch unglaublich lustige Lieder mag. Glück: Ein Gutsausschank im Nachbardorf hat nicht nur fastnachtsfrei geöffnet, sondern auch noch Platz.

Der Winzer hat vor kurzem gefüllt. So dürfen müssen wir neben dem Anstoßriesling auch noch frischen Rivaner, Riesling, Weißherbst, Rosé … probieren. Eine schöne, stimmige Kollektion. Keine filigranen Leichtgewichte, sondern Weine mit Wumms.
Und noch etwas Besonderes. Der Winzer platzt fast vor Stolz. Ratespiel!

Hellorange-lachsfarben im Glas, üppiger Duft nach … Rosen. Ein bisschen Macis, ein bisschen reife Aprikose, ein bisschen Himbeere. Auf der Zunge kräftig, süß, opulent. würzig. Viel Wucht, ohne dabei plump zu wirken, ordentliche Länge.

Rosenmuskateller. Südtirol? Rosenmuskateler. Rheingau! Genauer:
Rosenmuskateller Rosé feinherb 2013. Rauenthaler Rothenberg. Weingut Ernst Russler. 13% Alkohol, ordentlich Restzucker. Ein eingebürgerter Immigrant.

Wie das? 2011 hat Uwe Russler knapp 1000 Stock Rosenmuskateller gepflanzt - in seiner besten Rieslinglage, im Rauenthaler Rothenberg. Versuchsanbau, eine von nur drei Anlagen in Deutschland - und gleich die größte.
Wer Uwe Russler kennt, weiß: Hier wird nicht gekleckert, hier wird geklotzt. Wenn schon ein Experiment, dann richtig. 
Das hier ist gelungen. Ein wunderbarer Rosenmuskateller, der mit seinen Brüdern in Südtirol absolut mithalten kann. Auch preislich: 15 Euro ab Hof für die Flasche ist für dieses Weingut schon eine Ansage. Aber eine, die sich lohnt. 
Und das alles, weil Uwes Frau, Michaela, diese süßen Weine aus dieser kapriziöse Rebsorte liebt


Sein Beitrag, unser Beitrag zum Thema “geliebte Immigranten”. Einen ganz persönlichen habe ich ja eh.


Dorit ist die Gastgeberin der heutigen Weinrallye und hat uns noch um die Antwort auf einige Fragen gebeten:


Zeugt es nicht auch von Weltoffenheit, sich mit internationalen Weinen zu beschäftigen?
Großes Wort! Neugier, Interesse an dem, was jenseits des Gartenzaunes wächst - das gehört doch zum Genuss dazu, oder?


Welche Weine in eurem Keller gehören zu euren „Lieblings-Immigranten“, bzw. werden von euch gerne direkt „eingeschleust“, sprich im Kofferraum importiert?
Rieslinge aus fremden Weinanbaugebieten wie etwa Mosel oder Rheinhessen. Oder auch Südtirol. Und Österreich! Ansonsten: Die aus dem jeweiligen Urlaubsland. Aus Südtirol werden wir uns dieses Jahr garantiert Gewürztraminer mitbringen. Und Rosenmuskateller.


Welchem dieser „Wein-Ausländer“ gewährt ihr gerne häufig, um nicht zu sagen massenhaft, Asyl in eurem Glas? Warum und zu welchem Anlass?
Zu jedem Anlass: Champagner. Und ansonsten immer das und dann, wenn es passt. Und am liebsten mit Freunden.

Mittwoch, 26. Februar 2014

Tausend to go

Heute sind wir im Rothenberg fertig geworden. Rund 400 Stöcke, eine alte Anlage. Eigentlich kein Problem. Uneigentlich haben wir schon vor zwei Wochen gemerkt, dass dieser Weinberg in den vergangenen Jahren ziemlich schaurig geschnitten worden ist. Darum haben wir versucht, die gröbsten Fehler mit dem jetzigen Schnitt zu korrigieren. Bis es so aussieht, wie wir uns das vorstellen, wird es aber noch zwei, drei Jahre dauern.


Eigentlich hätten wir auch die Geisenheimer anrufen können: "Wollt Ihr mal sehen, wie man NICHT schneidet und was dann passiert? Los, kommt her!".
Das ist um so ärgerlicher, als dass Rebschnitt nun, wie Lars zu sagen pflegt "no rocket-science" ist. Kopfbildung, so schneiden, dass der Bogen nicht immer höher wandert, ein Jahr im Voraus denken. Später im Jahr dafür sorgen, dass zukünftiges Zielholz nicht beschädigt oder vernichtet wird. Handwerkszeug. No rocket-science. Man kann das in Büchern nach lesen oder jemanden fragen, der sich damit auskennt.

Trotzdem drückt man natürlich dem Stock beim Schnitt seine Handschrift auf. Ich schneide anders als Lars, und wir können später im Jahr sehen, wer welche Reihen geschnitten hat. Und es geht natürlich um Qualitätssteigerung durch Mengenbegrenzung und Optimierung des Saftflusses. Triebe, die über zehn Meter bergauf gezogen werden, sind da eher weniger sinnvoll. Ach ja, nachpflanzen sollten wir auch dringend hier und da.

Dazu kommt, dass der Drahtrahmen einfach nur ein Chaos ist. Teilweise ohne obersten Rankdraht, vielfach gestückelt, rostige Drahtenden, mal ist der Heftdraht einfach um zehn Zentimeter nach oben gezogen - Himmel. Es falsch zu flicken dauert genauso lange wie es richtig zu flicken. Im Klartext: Wir müssen den Drahtrahmen mindestens zu Hälfte neu ziehen. Im Herbst ist uns das nicht so aufgefallen, ok, die Blätterwand war mehr als dicht und zum Teil musste man die Trauben mehr suchen als lesen. Erstaunlich, wie gesund sie  da noch waren!.

Am Mittelrhein haben wir an den vergangenen Wochenenden die steile Parzelle zum Bach hin und die 13 Reihen "rechts" geschnitten und gebogen. Morgen kommen dann die langen Reihen "links" dran - und zum Schluss die Einzelstockerziehung.


Es bleibt mild, wenn es ein bisschen geregnet hat und später die Sonne scheint, riecht es im Weinberg wie verrückt nach Kräutern, nach Kresse und Bärlauch, nach Frühling.
Wir liegen gut in der Zeit.



Tausend Rebstöcke to go.