Freitag, 27. November 2015

Weinrallye #92: Farbe bekennen!


Sorry, dies ist die Weinrallye, hier sollte es in erster Linie um Spaß und Genuss gehen, um Leichtigkeit des Seins und Unernsthaftigkeit. Mir hat es, so selten, wie ich, wie wir bloggen, nur leider derzeit den Appetit dafür verschlagen.

Als ich, als wir die Einladung zur Weinrallye 11/15 ausgesprochen haben, erschien uns das sehr entspannt. Als Peter mich daran erinnerte, dass wir die Gastgeber sind, war ich auch noch halbwegs entspannt. Halbwegs, weil inzwischen so viel passiert war. Tatsachen, die unserer Regierung Entscheidungen abverlangten, viele Menschen auf der Flucht, die über unsere Grenzen kamen, unserem Gemeinwesen auf die Probe stellten, und einerseits nie geahnte Solidaritäts- und Hilfswellen auslösten und andererseits die Artikulierung von Besorgnis, Ängsten, aber auch Unkenntnis und blanker Fremdenfeindlichkeit zur Folge hatten.

Darum das Motto "Farbe bekennen", so vielschichtig, wie man es verstehen kann und will. (Und wie es auch verstanden wurde, wenn ich an die bisherigen Beiträge denke.)

Dann kam der 13.11. Der mich, der uns traf. Ja, auch wenn tagtäglich weltweit viele Menschen sterben, für die wir unsere Facebookprofilbilder nicht ändern. Und das fordert Haltung, so oder so.

Zwei Wochen ist das her, die Welt hat sich weiter gedreht, aber die Unsicherheiten und Auseinandersetzungen sind nicht weniger geworden. Die Lage ist gefühlt angespannter denn je, was unser kleines Mitteleuropa betrifft, die Bedrohungen sind für uns spürbar. Und auch das verlangt Haltung - der Zivilgesellschaft und der Politik. 
Und nötigt mir Respekt ab angesichts der Menschen - auch der politisch aktiven und führenden - die es nicht zulassen, dass die Flüchtlingskrise und die betroffenen Menschen als argumentativer Spielball missbraucht werden.

Was ich in den vergangenen Monaten verstanden habe: Nicht jeder, der Vorbehalte und Ängste hat, ist deswegen ein fremdenfeindlicher Idiot. Wir müssen alle miteinander reden. Erklären. Verstehen. Menschen ernst nehmen. Es ist nicht alles einfach und nicht alles gut, wir müssen die Probleme benennen, versuchen. Lösungen zu finden. Ich glaube, das tun wir auch - "wir" auch mit Blick auf meine Kollegen.

Was ich aber auch zunehmend lerne: Ich bin nicht mehr bereit, Diskussionen um der Diskussion willen zu führen. Mich in spitzfindige feingeschliffene Diskurse verstricken zu lassen, in denen es nur noch um die Eloquenz geht, und so gar nicht um die Sache, weil die den Diskutanten viel zu profan ist. L'art pour l'art - sorry, not my piece of cake. Nicht hier.


Ich finde es großartig, dass viele Menschen ziemlich undogmatisch Stelllung beziehen, Farbe bekennen, etwas anstoßen. Ob das Winzer wie Thilo Strieth oder Bauer sind, ob das die Wein gegen Rassismus-Kiste ist. Ob der SWR, der ganz praktisch News for Refugees macht. 

Oder ob es um Auftritte mit Symbolkraft geht - Beethoven gegen die AfD. Ja, symbolisch. Ohne konkreten Effekt. Aber Symbole gehören zu dem, was uns bewegt.
Große Symbolkraft ging am vergangenen Wochenende von der "Probe" des Mainzer Staatstheaters aus, die just zu der Zeit stattfand, als die AfD auf dem benachbarten Gutenbergplatz eine Kundgebung abhielt. Die Wucht und Lautstärke der "Ode an die Freude" wäre geeignet gewesen, die Mauern von Jericho zum Einsturz zu bringen - hier behinderte sie im Viertelstundentakt nur die Anhänger von Frauke Petry, die in die Mainzer Innenstadt gekommen waren.

Das nenne ich Farbe bekennen. Unaufgeregt, ohne Rot zu sehen, klar in der Sache, unmissverständlich. Und ich finde auch die Erklärung des Intendanten, der die Aktion verteidigt, absolut nachvollziehbar.

Der Vollständigkeit halber: Die Aktion hatte übrigens ein Nachspiel - erst hat die Polizei Strafanzeige erstattet, wegen Störung der AfD-Kundgebung in grober Art und Weise, was gegen das Versammlungsrecht verstoße, später auch die AfD - ebenfalls wegen grober Störung und außerdem wegen der Verbreitung von Hassparolen. Als Beleg führte ein AfD-Sprecher den Vorwurf von Teilnehmern der Kundgebung an, dass Theatermitarbeiter versucht hätten, ein Plakat mit der Aufschrift "AfD verrecke" am Theater aufzuhängen, was die Polizei verhindert habe. Das Theater widerspricht - Sprecherin Fritzinger sagte dem SWR, das Transparent sei definitiv nicht von einem Mitarbeiter des Theaters angebracht worden. "Sobald wir das Banner entdeckt hatten, haben wir es entfernt." Und man habe dies auch am Samstagabend umgehend der Polizei so mitgeteilt." Inzwischen gibt es auch eine Petition gegen die Einleitung eines Strafverfahrens.
So viel Text, so wenig Wein. Der kommt jetzt. Es ist ja Weinrallye, trotz alledem.

Der Wein ist der Nachfolgejahrgang des 2013er ROTHENBERG, über den ein paar kurze, von Manfred Klimek geschriebene Zeilen die Gemüter erhitzte - Ihr wisst schon, der ausgespülte Aschenbecher ... (Ja, Klimek schreibt "2014", aber er hat de 2013er probiert, glaubt mir.
Den rieche und schmecke ich zwar (glücklicherweise) im 2014er auch nicht, dafür aber eine tiefe, würzige Mineralität, ein bisschen Salzigkeit (hey, wir sollten Wein-Bullshit-Bingo spielen).
Im Glas: 2014 ROTHENBERG, Riesling QbA trocken, Rheingau, DALGAARD&JORDAN.
In der Nase reifes Steinobst, kühler, nasser Stein, Rosen, ein bisschen grüner Tabak. Auf der Zunge trockene, trotzdem saftige Frucht, ein bisschen getrockenete Birne, Steinobst, das alles fest und straff, intensiv und mineralisch, lang und würzig. Der Wein kann Luft gut vertragen, nach ein, zwei Tagen (zugeschraubt im Kühlschrank stehend) macht er deutlich mehr Spaß als frisch geöffnet.

Weiter geht's mit den Beiträgen zur Weinrallye#92 - was ich bis jetzt gelesen habe, ist sehr schön, sehr unterschiedlich, sehr ... bunt. Farbe bekennen, so oder so.

Gastbeitrag: Weinrallye #92: Farbe bekennen!


Es ist der letzte Freitag im November, es ist Weinrallye, und wir freuen uns, in diesem Monat Gastgeber für dieses Blogevent sein zu dürfen.

Noch mehr freuen wir uns aber über den Gastbeitrag von Ronja, mit dem wir den Startschuss für die heutige Rallye geben.


Farbe bekennen auf einem Weinblog? Och nö, wie langweilig, da gibt’s doch nur rot oder weiß….. naja ok, im Sommer vielleicht auch noch Rosé – wenn man das überhaupt sagen darf?
Wenn in einem Restaurant auf die Frage nach Wein die Gegenfrage „rotoderweiß?“ kommt, vielleicht noch gekrönt von „trockenoderlieblich?“, empfiehlt sich ein Bier.

Dabei ist das mit dem rot oder weiß auch garnicht so einfach:

„Weißwein ist eher gelblich und Rotwein wird aus blauen Trauben gemacht“
(Zitat, weiß leider nicht, von wem)
Aber es geht ja noch weiter:  Die Trauben für den „Weiß“wein sind ja auch eher gelb-grünlich oder bräunlich bis grau-rosa … der Wein von blassgold bis tief-bernstein - weiß ist am Weißwein ja  garnix …. logisch, sonst wärs ja Milch ….

Farbe BEKENNEN … schreibt Tin, egal wo und wie ….. hmmm ….

In den frühen Achzigern waren bunte Haare ein Statement gegen die bürgerliche Spießer-Gesellschaft, ….. als Punk zu leben war damals nicht ungefährlich. Zwar nicht bei der Arbeit im Kuhstall : Kühe sind farbenblind. Aber schon m Schafstall war das anders: Schafe können nicht nur Farben sehen, sondern vermuten in der grünen Haarpracht irgendwas frisches kräutrig-salatiges und fraßen mir buchstäblich die Haare vom Kopf , da half nur der Wechsel auf blau oder pink.
Heute tragen ältere Landfrauen pinkfarbene oder blaue Strähnchen als modisches Accessoire …. *sic transit gloria mundi*

Farbe ist ja zunächst einmal nichts „politisches“, sondern etwas rein Physikalisches, die buchstäblichen  von den Elementen in den Himmel gemalten „alle Regenbogenfarben“ …. reine strahlende Farbe, ohne Trägersubstanzen.

Oder durch ein Prisma geschaut, sieht man alle Spektralfarben; auf Abbildungen immer sehr schön gleichmäßig verteilt, alle Farben gleich breit.
Ich erinnere mich an eine Veranstaltung, die vortragende Dame ließ alle Teilnehmer durch Prismen schauen und erzählen, wie breit wir die einzelnen Farben sahen. Das war sehr interessant, denn KEINE/R der Anwesenden sah alle Farben gleich breit. Durch dasselbe Prisma bei derselben Beleuchtung sah ich bspw das Blau deutlich breiter, der Nachbar das Gelb, der nächste Grün usw ... hätte mich sehr interessiert wie das zustande kam, aber die vortragende Dame erklärte das leider sehr „esoterisch“, jede Farbe entspräche einem Körperteil (bspw blau=Kopf) und je nachdem, wie „gewichtet“ man die Farben im Prisma sieht, könne man irgendwelche seltsamen Rückschlüsse ziehen, ich weiß nicht mehr welche…. schade, das Phänomen als solches fand ich sehr interessant!

Aber zum Thema Farbe und Wein oder „Die Farben des Weines“ – gerade in diesem Herbst ein Feuerwerk an Rotgold-Tönen, alle Hobby- und Berufsfotografen gaben sich ein Stelldichein in den Weinbergen, aber mir fällt da immer der Maler Michael Apitz ein:
Seine Malerei ist irgendwie von den Konturen her sehr impressionistisch, eher „flirrend“ oder „verwischt“ ; in den Farben stark expressionistisch: kräftig, zum Teil düster; grandiose Werke, sehr oft mit dem Thema Wein, Weinlandschaften, Weinberge.

Sein berühmtes Triptychon  war lange in der hessischen Landesvertretung in Berlin ausgestellt, jetzt hängt es im Keller der Steinberg-Kellerei der hessischen Staatsweingüter – und verkleinert als Druck in vielen Wohnzimmern  …. ;-)

Hier in der Gegend ist Apitz eine lebende Legende, allerdings eher als Comiczeichner: Den Spätlesereiter Karl kennt hier jedes Kind, der gehört quasi zum Leben dazu.

Die Geschichten gibt es in insgesamt 12 Bänden, auch Geheimrat Goethe tritt darin immer wieder auf, als Weintrinker, Frauen …. ääähhh…. „Verehrer“ ???….und selbstbeweihräuchernde Promi-Ikone, immer auf der Suche nach dem nächsten Weinglas.

Seine Farbenlehre - womit nun auch der Bogen zurück zum Thema geschafft wäre ;-) - beschränkt sich auf blassgoldenen Riesling.

Einen Wein soll ich noch dazu finden? Ja klar, es geht ja um die WEINrallye ….

Hm , schwierig … es gab einmal einen Versuch, lange vor den „classic“-Linien, den Rheingauer Riesling ein bisschen zu „standardisieren“, einen Kabinett, der den „typischen“ Rheingauer Wein, bzw Riesling vertreten sollte. Auf dem Etikett abgebildet der „Rheingauner“ (mit “n“!) von Apitz,
das war immer ein sehr nettes „Mitbringsel“ – leider gibt’s den schon lang nicht mehr, angeblich wär das „zu wenig seriös“ gewesen.

Hallo? Was soll das denn? Wein darf keinen Spaß machen? Witzige Wein-Namen oder Etiketten sind doch heute überall zu finden, gehören quasi zum Standard …

Nun denn: zum „Karl“-Comic NUR und ausschließlich eine Riesling-Spätlese vom Schloss Johannisberg – was anderes kommt da gar nicht in Frage!