Freitag, 29. Juli 2016

Weinrallye #100: Eine nicht ganz kurze Geschichte über einen sehr alten Wein

http://winzerblog.de/weinrallye-100-4524/


Mensch, Weinrallye, Du hast Dich echt gut gehalten. Die 100 sieht man Dir gar nicht an – naja, fast gar nicht. Ab und zu bist Du mal ein bisschen müde, die Jahre haben die eine oder andere Zornes- oder Sorgenfalte hinterlassen, aber unterm Strich ist das Glas immer noch halb voll – nicht wahr?


Deutlich mehr als halb voll ist die Flasche, die wir heute virtuell für Dich aufziehen, und sie hat bedeutend mehr Jahre als Du auf dem Buckel – nämlich 402. Richtig gelesen, eine Flasche aus dem Jahr 1614 (oder 1604. Oder so ähnlich. Mehr dazu später.).


Die Geschichte handelt also von einem richtig, richtig alten Wein. Und vom Handel. Und von Verbindungen. Von Dänemark und Deutschland, von Kopenhagen und Bacharach. Von Deutschen und Dänen, damals wie heute, von tollen Weinproben, von schönen Orten des Weingenusses, am Rande auch von Winzerinnen. Und von vielem mehr, was die Weinrallye ausmacht hat, von kurzen oder längeren Etappen.


Der Wein: Riesling, der Überlieferung nach vom Mittelrhein, wahrscheinlich aus dem Fürstenberg. Eine Flasche aus dem Keller des königlich-dänischen Schlosses Rosenborg in Kopenhagen. Kurzum: Der Rosenborg-Wein, dänisch Rosenborgvinen.


Das dänische Königshaus deckte sich Ende des 16. Jahrhunderts mit Weinen aus Mitteleuropa ein, vor allem Rheinwein stand hoch im Kurs. König Christian IV., war ein trinkfester und feierfreudiger Monarch, zu seiner Krönung 1596 bekamen die ausländischen adligen Gäste Rheinwein kredenzt, während ihr Gefolge sich mit Wein aus Frankreich zufrieden geben musste. Christian IV. begründete auch die Tradition, zu seiner Neujahrstafel – einem großen Fest, zu dem Honoratioren eingeladen wurden – Rheinwein auszuschenken.


Im Jahr 1604 stand der König vor einem Problem, das wir alle kennen: Der Weinkeller war so gut wie leer. Grund: Der eine oder andere Krieg hatte viel Geld gekostet, wenn was übrig war, wurden damit Festungsbauten finanziert, getrunken wurde weiter fröhlich, aber  mangels ausreichender Mittel dummerweise nichts nachgekauft.


Und so schickte er seinen Schatzmeister Jörgen Busch und den Hofmundschenk Matthias Hansen auf Einkaufstour – mit dem Schiff nach Lübeck und dann auf dem Landweg Richtung Rhein. Am 13. Oktober 1604 stach die Flotte in See, Mitte November kamen die königlichen Gesandten in Mainz an. Nach vielen Verkostungen und Verhandlungen erstanden sie 49 Stückfässer Wein, die im Frühjahr rheinabwärts und dann auf dem Seeweg nach Dänemark gebracht werden sollten.

Der König war über die Nachricht hoch erfreut und orderte Nachschlag, der, Achtung, die übliche Quellendiskussion, wohl aus Bacharach kam. Jedenfalls wurden die Fässer nordwärts geschippert und landeten im Keller von Schloss Nyborg auf Falster.


Auch in den Folgejahren orderten die Dänen Rheinwein. Durch diverse Kriegswirren gelangten Rieslingfässer von Schloss Nyborg in den Keller von Schloss Rosenborg (das Christian der IV. erbauen ließ)  in Kopenhagen auf Seeland, wo sie die nächsten Jahrhunderte lagerten. Nach und nach begann man, die Fässer nicht mehr auszutauschen, sondern nur noch nachzufüllen – das Solera-Prinzip auf dänisch. 

Und immer noch wurde zur königlichen Neujahrstafel - der nytårstaffel - Wein Rosenborg-Wein – Riesling vom Mittelrhein – serviert und getrunken. Nicht genossen, wohlgemerkt, zu jedem Gläschen des uralten Legendenweins wurde ein Schälchen Zucker serviert – anders ließ sich das Zeug wohl nicht runterwürgen.

Und das, obwohl die Fässer über die all die Zeit sorgsam gepflegt worden waren. Anfang der 1980er Jahre zog der königliche Kellermeister die Reißleine und ließ das letzte verbliebene Rosenborgfass filtrieren und auf Flaschen ziehen.
 

Und genau so eine Flasche mit zumindest einem kleinen Anteil „des“ Jahrhunderte alten Weines wechselte 1988 den Besitzer, als die Bürgermeisterin von Bacharach eigens nach Kopenhagen reiste, um dem Königshaus ein Fass Riesling aus dem Oberdiebacher Fürstenberg zu überreichen. Im Gegenzug schenkte der dänische Prinzgemahl ihr ein Exemplar des legendären Rosenborgweins. Auf der Flasche ist vermerkt, wer alles an der festlichen Übergabe im königlichen Weinkeller teilgenommen hat und wie der Wein vor mehr als 400 Jahren in den Besitz der dänischen Krone kam.

Warum ich Euch diese Geschichte erzähle? Nun, der Großteil unserer eigenen Flächen liegt  im vermeintlichen Rosenborgweinberg, dem Oberdiebacher Fürstenberg Und: Wir hatte die legendäre Flasche neulich selbst in der Hand – und dürfen sie wohl demnächst mit verkosten. Der geschichts- und geschichtenbegeisterte Winzer Rolf Heidrich aus Bacharach hat die Flasche nämlich der „Weinzunft Bacchus Zechgesellschaft anno 1328 zu Bacharach und Steeg“ geschenkt, in der Lars und ich Mitglieder sind – Anlass war die Johannisweinprobe Ende Juni unter dem Motto „Weine aus dem Fürstenberg“.


Eine Geschichte über deutschen Rheinwein, den es nach Dänemark verschlug und mit dem in Dänemark eine Tradition mitbegründete, ein hunderte Jahre altes Holzfass, dessen Inhalt als “Rosenborgvin” legendären Ruf genießt. Ein Däne, den es an den Mittelrhein verschlagen hat, der dort im Fürstenberg Riesling anbaut, der Säckelmeister eben jener Weinzunft ist, ein deutsch-dänisches Miniweingut, das seine Rieslinge auch nach Dänemark verkauft - so schließt sich der Kreis.

Ich bin gespannt, was uns bei der Probe erwartet, mache mir allerdings wenig Hoffnungen. Für alle Fälle werden wir darum ein paar Flaschen Fürstenberg aus jüngeren Jahrgängen  kalt legen.


Zwei davon haben uns bei der Johannisweinprobe besonders gut gefallen - und man kann sie, im Gegensatz zum Rosenborg-Wein, auch noch kaufen.


2009
Oberdiebacher Fürstenberg
Riesling Spätlese Alte Reben trocken
Weingut Dr. Kauer, Bacharach
Ein immer noch frisch wirkender Wein, reife Fruchtaromen, kräutrig, mit gut eingebundener Säure. Ein toller Essensbegleiter, der gut zum Rieslingbraten vom Wildschwein passte.


Ganz anders der Wein von Cecilia Jost - ein fruchtsüßer
2015
Riesling
Schlossberg, Oberdiebach
Weingut Toni Jost, Bacharach
(Der Schlossberg ist ein Teil des Oberdiebacher Fürstenbergs, die Parzellen direkt unterhalb der Ruine.)
Süß und ungemein saftig, reife, opulente Frucht, dabei aber nicht knatschsüß, sondern im allerbesten Sinne fruchtig. Bei der Johannisweinprobe hat er das Dessert begleitet, ich kann ihn mir aber auch als Wochenabschlussschluck am Freitagabend auf dem Sofa gut vorstellen.


In diesem Sinne:
Auf Dich, Weinrallye, auf die nächsten 100. Und vor allem auf Deine Mütter und Väter und alle Wegbegleiter. Alles Gute zum Geburtstag! Prost! Skål! Tillykke med fødselsdagen!


Disclaimer: Dieser Blogbeitrag erhebt keinen Anspruch auf wissenschaftliche Vollständigkeit und belegbare Wahrheit. Wie immer bei solch wunderbaren und wundersamen Geschichten lässt sich nicht wirklich zweifelsfrei nachvollziehen, aus welchem Jahr genau welches Fass stammt und welcher Wein wohl wann wo eingekauft wurde. Auch die wenigen Berichte (falls Ihr googeln wollt) widersprechen sich hier und da, was wie immer auch daran liegt, dass die Autoren voneinander abschreiben und das eine oder andere Detail bei der Übersetzung vom Dänischen ins Deutsche (und vice versa) auf der Strecke bleibt.

Dienstag, 5. Juli 2016

FÅK

Dieses Jahr ist, mit Verlaub, ein echtes Scheißjahr. Politisch sowieso, gesellschaftlich gesehen, privat und jetzt auch noch im Nebenberuf. Ganz ehrlich, 2016, es reicht. Echt jetzt.

Mehr zu einem Aspekt hier.

Samstag, 2. Juli 2016

Wenn das Sommers Wolken ziehen ...

.. darunter konnte ich mir früher nicht viel vorstellen. Ich habe das Lied in der Grundschule gelernt - von einem Lehrer, der offensichtlich jugendbewegte Wurzeln hatte. Viele "seiner" Lieder habe ich später in meiner kurzen besuchsbündischen Zeit wieder getroffen.

Seitdem ich, seitdem wir im Sommer alljährlich nach Dänemark fahren, nach  Nordsjælland, genauer gesagt, haben die Sommerwolken Gestalt angenommen. Der herrliche nordische tiefblaue Sommerhimmel, die Weite, die Wolken ... mein Sommerzuhause.

Wir sind in diesem Sommer öfter als geplant im Norden, leider. Das Gefühl, dass alles falsch ist, hat sich verzogen Es ist wie es ist.





Nach zwei Wochen sind wir gerade wieder zurück gekommen. Haben dort kubikmeterweise Papiere durchgeblättert, entschieden, aufgehoben, entsorgt. Kleidung, persönliche Habseligkeiten, Kleinkram. Haben ein paar Tränen zerdrückt und auf dem wunderschönen Friedhof in Asminderød Photos und schlechte Witze darüber gemacht, dass der neue Grabsten noch nicht da liegt - "nach Diktat verreist". Das hätte ihr gefallen.




Wir haben ein herrliches Wochenende mit den alten Schulfreunden des Dänen verbracht, grandios gekocht, tolle Weine getrunken und als krönenden Abschluss ein geniales Dessert gegessen.





Salzkaramelleis, Holunderblüten-Mascarpone-Crème, marinierte Erdbeeren, Waldbeereneis, Macaronrasp. Inspiriert durch eine Dessertidee unserer Freundinnen von hundertachziggrad,  erweitert um das geniale Salzkaramelleis von schönertagnoch.



Dazu unsere 2011er Auslese aus dem Fürstenberg und eine 2006er BA von Lars. YESS!