Dorothee aka Bushcook lädt zur Weinrallye.
Unter einem Motto, das beileibe kein neues ist, destotrotz eins mit Gesprächswert - Frauen und Wein. Frauen, die Wein machen. Oder anders: Machen Frauen anders Wein?
Eine Frage, bei der sich die Champagne als Spielort (und ohnehin Ziel unseres Kurzurlaubs direkt vor der Weinrallye) geradezu aufdrängt. Wer an Champagner denkt, denkt an Veuve Cliquot, an Viriginie Tattinger, an große Champagnerhäuser, die selbstverständlich von Frauen geführt werden, und das nicht erst seit kurzem.
Die Tradition
Eher zufällig und ohne Terminvereinbarung (was für die meisten Champagnerhäuser ein No-Go ist und in unserem Fall einer Reihe unglücklicher Umstände geschuldet war) stolpern wir in Avize ins Traditionshaus Michel Gonet. Seit 1802 gibt es das Weingut, der Vater der jetzigen Inhabergeneration hat es deutlich ausgebaut und als Marke etabliert. Wir reden von 40 Hektar Weinberge in der Champagne, der Großteil der Trauben wird unter dem Label Michel Gonet sowie einigen anderen Namen verarbeitet. Zum Unternehmen gehören auch noch zwei Weingüter im Bordelais, die von den beiden Gonet-Söhnen geleitet werden. Sophie, die Tochter, eine drahtige, energische Person mit viel Charme - führt das Stammhaus in der Champagne in 7. Generation.
Zu unserer Überrachung und Freude begrüßt sie uns selbst und beschert uns eine hochinteressante und durchaus amüsante Probe.
Sophie lässt keinen Zweifel daran, dass für sie der Champagner weiblich ist - und dass Frauen dafür ein besseres Händchen haben. Filigran, vielschichtig, manchmal ein bisschen kaprizös, aber immer lebendig, mit viel Esprit. Wie die Winzer, so die Weine. (Mein Credo. Bis darauf, dass ich finde ... dazu unten mehr.)
Im Hintergrund, so erzählt sie, hätten die Frauen häufig schon lange oft das Sagen gehabt, zunehmend sei das jetzt auch nach außen sichtbar - und verunsichere so manchen Mann. Seit kurzem macht sie auch Kommunalpolitik, managt die Familie nach dem Tod ihres Mannes in diesem Frühjahr alleine, hat sich für das kommende Jahr den Umbau der Kellerei und den Neubau einer Vinothek mit Aussich auf die Weinberge der Côte de Blancs vorgenommen. Langeweile sieht anders aus.
Besonders gut gefallen hat uns der Champagne Michel Gonet Cuvée Prestige 2001 Blanc de Blancs Grand Cru Brut. Klar und stringend, kräftig, aber nicht zu opulent, geröstete Mandelnoten, ein bisschen Butterbrioche, leicht mineralisch mit einem winzigen salzigen Kick.
Aufgrund der besonderen Umstände gibt es leider keine Bilder. Die Homepage findet Ihr hier.
Das Kontrastprogramm
Der Besuch bei einer anderen Winzerin in der Champagne war schon vorher gesetzt - Solveig Tange in Soulières. Solveig stammt aus Dänemark, war in ihrem ersten Leben Journalistin und betreibt zusammen mit ihrem französischen Mann Alain das Champagnergut Tange-Gérard, seit 2009 im Vollerwerb unter dem Namen Tange Gérard. Untergebracht ist der Betrieb im Nachbargebäude von Alains Geburtshaus, seine Familie lebt seit Generationen in der Champagne, besitzt dort ebenso lange Weinberge und Äcker, verkaufte aber bis vor einigen Jahren alle Trauben an die örtliche Kooperative. Nach und nach haben Solveig und Alain die Flächen aus alten Pachtverträgen abgelöst und bewirtschaften jetzt drei Hektar selbst.
Ein paar Schritte vom Weingut entfernt liegt ein Teil der Weinberge - größtenteils mit Chardonnay bepflanzt, im unteren, eher frostgefährdeten Abschnitt stehen allerdings Pinot noir und Pinot meunier, die als weniger empfindlich gelten. Die Rebzeilen sind begrünt und wirken sehr "belebt", Schmetterlinge, Weinbergsschnecken, blühende und duftende Kräuter.(Im Schnitt sollen in der Champagne übrigens 30 Prozent der Zeilen begrünt sein, bei Tange-Gérard sind es knapp 70.)
Für uns Rieslingwinzer sehen die Weinberge etwas seltsam aus: Niedrige Laubwände, die Bögen sind knapp über dem Erdboden aus dem Stock gezogen, Chabliserziehung, enge Zeilenabstände. Das erlaubt das Arbeiten mit Überzeilenmaschinen (von uns "Dreibeine" genannt), mit denen die Laub- und Pflanzenschutzarbeiten gemacht werden
Gelesen wird per Hand - mühsam durch die geringe Höhe, wenn auch nicht ganz so anstrengend wie in der Steillage. Dafür sind die Lesekisten deutlich größer und schwerer.
Gekeltert wird in der Cooperative, alles ist genauestens festgelegt und wird streng kontrolliert. Der Schnitt in den Weinbergen, die Triebe und Trauben, die Anzahl der Flaschen, die man für den unter eigenem Label vermarkteten Champagner kauft. Und die Zahl der Steueretiketten, die oben auf die Capsule über die Agraffe klebt (und kleben muss). Einfach eine kleine Kelter kaufen, Trauben kaufen und Wein machen, hier funktioniert das nicht.
Solveig und Alain haben als Emblem für ihr Champagnergut das Wahrzeichen von Souliéres, den Stern vom Kirchturm, gewählt - und zwar so, wie sie ihn sehen. Er strahlt auf den ausgesprochen schlicht und geschmackvoll gehaltenen Etiketten, an deren Farbe man die "Qualitätsstufe" des jeweiligen Champagners erkennen kann.
Natürlich habe ich mich mit Solveig auch über das Thema "Frauen und Wein" unterhalten. Sie sieht den Anteil der Frauen in Führungspositionen ebenfalls auf dem Vormarsch, steht aber ansonsten auf dem - sehr skandinavischen - Standpunkt "das ist doch völlig normal". Und: "Frauen machen keine anderen Weine als Männer. Unterschiedliche Winzer machen unterschiedliche Weine, unterschiedliche Winzerinnen machen unterschiedliche Weine. Männerweine, Frauenweine, das ist hier eigentlich kein Thema." Unterschiede gebe es bestenfalls in der Kommunikation.
Das unterschreibe ich voll und ganz. Und komme auf das Credo von vorhin zurück: Die Weine sind so wie der Winzer. Da gibt es rustikale Wuchtbrummen und elegante Schöngeister, dünne Leichtgewichte, verspielte Schnörkelchen und tiefe, feste Leuchttürme. Das hat aber nichts damit zu tun, ob der Wein von einer Frau oder einem Mann gemacht wurde. Eine Winzerin kann bei entsprechenden Lagen ungemein maskuline, fleischige Weine aus ihren Wingerten herausholen, ein Winzer bei entsprechendem Weinbergspotential eher feminine Weine machen. Die Kunst ist es doch, das, was da draußen wächst, mit dem wir uns so wahnsinnig viel Mühe geben, vom Schnitt bis zur Lese, dem Raum zu geben und es abzubilden.
Und noch ein Satz, der exemplarisch steht für die Leidenschaft, den Willen und das Wissen um die Mühe und die Nerven und den langen Atem, den man und frau für Weinbau und speziell für Champagner braucht: "Ich würde das Büro nie wieder mit diesem Leben tauschen, mit dem im Weinberg, im Keller und im Kontakt mit den Weintrinkern." Das sagen beide.
Zeit für Solveigs Wein. Oder ist es Alains Wein? Es ist der Wein von Tange-Gérard. Wer macht was. Wen interessiert das. Beide machen alles.
Wir beginnen mit dem Champagne Tange-Gérard Blanc de Blancs Brut 2008. In der Nase verhalten nussig, weiße Blüten, zarte Röstaromen, Zitrustöne. Auf der Zunge nussig, etwas Schmelz, mit mehr Luft zunehmende Cremigkeit, duftig und zartblumig, feines Mousseux, gute Länge.
Konsequent, straight, sehr präzise gesetzt und trotzdem nicht freudlos und streng. Ein intelligenter Wein. Der das widerspiegelt, was man hier sieht, atmet und lebt. Die Weine sind wie ...
Und das ist nur der Anfang. Wir haben das ganze Sortiment verkostet, über den Rest erzählen wir demnächst hier und anderswo.
Solveig schreibt einen Blog auf Englisch und Dänisch, ihre Homepage findet Ihr hier.
Auch aufgrund einer Zeit im Hotel Eppan direkt an der Weinstrasse mag ich die Weine von Winzerinnen sehr gern. Sie stehen ihren männlichen Kollegen in Nichts nach und so ist heute ein französischer Auriol aus der Hand einer Winzerin mein Lieblingswein
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