Sorry, dies ist die Weinrallye, hier sollte es in erster Linie um Spaß und Genuss gehen, um Leichtigkeit des Seins und Unernsthaftigkeit. Mir hat es, so selten, wie ich, wie wir bloggen, nur leider derzeit den Appetit dafür verschlagen.
Als ich, als wir die Einladung zur Weinrallye 11/15 ausgesprochen haben, erschien uns das sehr entspannt. Als Peter mich daran erinnerte, dass wir die Gastgeber sind, war ich auch noch halbwegs entspannt. Halbwegs, weil inzwischen so viel passiert war. Tatsachen, die unserer Regierung Entscheidungen abverlangten, viele Menschen auf der Flucht, die über unsere Grenzen kamen, unserem Gemeinwesen auf die Probe stellten, und einerseits nie geahnte Solidaritäts- und Hilfswellen auslösten und andererseits die Artikulierung von Besorgnis, Ängsten, aber auch Unkenntnis und blanker Fremdenfeindlichkeit zur Folge hatten.
Darum das Motto "Farbe bekennen", so vielschichtig, wie man es verstehen kann und will. (Und wie es auch verstanden wurde, wenn ich an die bisherigen Beiträge denke.)
Dann kam der 13.11. Der mich, der uns traf. Ja, auch wenn tagtäglich weltweit viele Menschen sterben, für die wir unsere Facebookprofilbilder nicht ändern. Und das fordert Haltung, so oder so.
Zwei Wochen ist das her, die Welt hat sich weiter gedreht, aber die Unsicherheiten und Auseinandersetzungen sind nicht weniger geworden. Die Lage ist gefühlt angespannter denn je, was unser kleines Mitteleuropa betrifft, die Bedrohungen sind für uns spürbar. Und auch das verlangt Haltung - der Zivilgesellschaft und der Politik.
Und nötigt mir Respekt ab angesichts der Menschen - auch der politisch aktiven und führenden - die es nicht zulassen, dass die Flüchtlingskrise und die betroffenen Menschen als argumentativer Spielball missbraucht werden.
Was ich in den vergangenen Monaten verstanden habe: Nicht jeder, der Vorbehalte und Ängste hat, ist deswegen ein fremdenfeindlicher Idiot. Wir müssen alle miteinander reden. Erklären. Verstehen. Menschen ernst nehmen. Es ist nicht alles einfach und nicht alles gut, wir müssen die Probleme benennen, versuchen. Lösungen zu finden. Ich glaube, das tun wir auch - "wir" auch mit Blick auf meine Kollegen.
Was ich aber auch zunehmend lerne: Ich bin nicht mehr bereit, Diskussionen um der Diskussion willen zu führen. Mich in spitzfindige feingeschliffene Diskurse verstricken zu lassen, in denen es nur noch um die Eloquenz geht, und so gar nicht um die Sache, weil die den Diskutanten viel zu profan ist. L'art pour l'art - sorry, not my piece of cake. Nicht hier.
Ich finde es großartig, dass viele Menschen ziemlich undogmatisch Stelllung beziehen, Farbe bekennen, etwas anstoßen. Ob das Winzer wie Thilo Strieth oder Bauer sind, ob das die Wein gegen Rassismus-Kiste ist. Ob der SWR, der ganz praktisch News for Refugees macht.
Oder ob es um Auftritte mit Symbolkraft geht - Beethoven gegen die AfD. Ja, symbolisch. Ohne konkreten Effekt. Aber Symbole gehören zu dem, was uns bewegt.
Große Symbolkraft ging am vergangenen Wochenende von der "Probe" des Mainzer Staatstheaters aus, die just zu der Zeit stattfand, als die AfD auf dem benachbarten Gutenbergplatz eine Kundgebung abhielt. Die Wucht und Lautstärke der "Ode an die Freude" wäre geeignet gewesen, die Mauern von Jericho zum Einsturz zu bringen - hier behinderte sie im Viertelstundentakt nur die Anhänger von Frauke Petry, die in die Mainzer Innenstadt gekommen waren.
Das nenne ich Farbe bekennen. Unaufgeregt, ohne Rot zu sehen, klar in der Sache, unmissverständlich. Und ich finde auch die Erklärung des Intendanten, der die Aktion verteidigt, absolut nachvollziehbar.
Der Vollständigkeit halber: Die Aktion hatte übrigens ein Nachspiel - erst hat die Polizei Strafanzeige erstattet, wegen Störung der AfD-Kundgebung in grober Art und Weise, was gegen das Versammlungsrecht verstoße, später auch die AfD - ebenfalls wegen grober Störung und außerdem wegen der Verbreitung von Hassparolen. Als Beleg führte ein AfD-Sprecher den Vorwurf von Teilnehmern der Kundgebung an, dass Theatermitarbeiter versucht hätten, ein Plakat mit der Aufschrift "AfD verrecke" am Theater aufzuhängen, was die Polizei verhindert habe. Das Theater widerspricht - Sprecherin Fritzinger sagte dem SWR, das Transparent sei definitiv nicht von einem Mitarbeiter des Theaters angebracht worden. "Sobald wir das Banner entdeckt hatten, haben wir es entfernt." Und man habe dies auch am Samstagabend umgehend der Polizei so mitgeteilt." Inzwischen gibt es auch eine Petition gegen die Einleitung eines Strafverfahrens.
So viel Text, so wenig Wein. Der kommt jetzt. Es ist ja Weinrallye, trotz alledem.
Der
Wein ist der Nachfolgejahrgang des 2013er ROTHENBERG, über den ein paar kurze, von Manfred Klimek geschriebene Zeilen
die Gemüter erhitzte - Ihr wisst schon, der ausgespülte Aschenbecher ... (Ja, Klimek schreibt "2014", aber er hat de 2013er probiert, glaubt mir.
Den
rieche und schmecke ich zwar (glücklicherweise) im 2014er auch nicht, dafür aber
eine tiefe, würzige Mineralität, ein bisschen Salzigkeit (hey, wir
sollten Wein-Bullshit-Bingo spielen).
Im Glas: 2014 ROTHENBERG, Riesling QbA trocken, Rheingau, DALGAARD&JORDAN.
In der Nase reifes Steinobst, kühler, nasser Stein, Rosen, ein bisschen grüner Tabak. Auf
der Zunge trockene, trotzdem saftige Frucht, ein bisschen getrockenete
Birne, Steinobst, das alles fest und straff, intensiv und mineralisch, lang und würzig. Der Wein kann Luft gut vertragen, nach ein, zwei Tagen (zugeschraubt im Kühlschrank stehend) macht er deutlich mehr Spaß als frisch geöffnet.
Weiter geht's mit den Beiträgen zur Weinrallye#92 - was ich bis jetzt gelesen habe, ist sehr schön, sehr unterschiedlich, sehr ... bunt. Farbe bekennen, so oder so.