Freitag, 3. Mai 2013

Eine Art Familientreffen, ein Froschkönig und die üblichen Verdächtigen

Die Prowein ist sowas wie eine alljährliche Klassenfahrt. Morgens auf der Autobahn sieht man ab dem Schiersteiner Kreuz,spätestens aber hinterm Frankfurter Kreuz bekannte Autos, Kennzeichen, Gesichter. Bei den wenigen Unbekannten rät man - wer rast wohl am Sonntag in aller Herrgottsfrühe gen Nordwesten, Nummernschild aus irgendnem Weinanbaugebiet, Hemd und Krawatte, Sakko am Haken?

Sehr viel kleiner und vertrauter geht es in Mainz zu. Wenn die Prowein das Klassentreffen ist, dann ist die Weinbörse eine Art Familientreffen. Immer am letzten Aprilwochenende, immer gleichzeitig mit den Rheingauer Schlemmerwochen, fast immer bei schönem, oft warmen Wetter. Immer mehr oder weniger die gleichen Gesichter, vor und hinter den Ständen. Immer mit einem einzigartigen Überblick über das Who is Who der deutschen Topwinzer. Und immer zwei viel zu kurze Tage mit viel zu viel Programm und viel zu langen abgearbeitet zu werden wollenden Listen.


Über den (vorrangig) präsentierten Jahrgang 2012 ist schon viel geschrieben worden.
Unser Eindruck nach Prowein, Weinbörse und diversen Stippvisiten bei (noch) unbekannteren Winzern: Ein gutes Jahr. Keine Ausreißer nach unten, fast kein Wein, der uns so gar nicht gefiel. Ein Jahr mit guten Voraussetzungen für Winzer, die konsequent gearbeitet haben. Ein Jahrgang mit Säure. Und mit auffallend mehr Winzern, die sich trauen, die Weine nicht gefällig und nett auszubauen, sondern mit mehr Ecken und Kanten, und zwar quer durch alle Anbaugebiete. Den mancherorts proklamierten tiefen Graben, der den VDP in Sicherheitslangweiler und junge Wilde spaltet, haben wir so nicht gesehen. Dafür an vielen Ecken Mut zu Neuem, das vielleicht in Wirklichkeit das Alte ist, aber selten konsequent durch die komplette Kollektion. Zum Teil mag das auch schlicht dem Generationenwechsel in den Weingütern geschuldet sein.
Aber, ja, es bewegt sich was.



Unsere Eindrücke in Kürze - eine Momentaufnahme, wir haben bei weitem nicht alles geschafft.

Mosel.Clemens Busch mit einer hervorragenden Spätlese Marienburg, noch als Fassprobe, kandierte Früchte, ananasmarzipanig, großes Theater.
Weingut Milz-Laurentiushof - hatten wir bislang eher weniger auf dem Schirm. Riesling 180° trocken, mineralisch süffig, viel saftige Frucht und ein Zuckerschwänzchen. Gut, aber besser gefiel uns das (2011er) Große Gewächs aus dem Leiterchen. Tief, viel Schmelz und Würze, sehr dicht.

Mittelrhein. Lanius-Knab. Steeger St. Jost. Trockene, reife Frucht, zupackende Säure. Kernig. Gut.

Ab an die Nahe. Diel. Die Weine wirken allesamt sehr burgundisch, cremig und schmelzig, blind hätten wir vielleicht nicht alle Rieslinge als solche identifiziert.

Prinz Salm präsentierte einen Riesling "Grünschiefer" - etwas parfümiert wirkend, eher der leichtere Typ, und tatsächlich - Synästhetiker aufgehorcht! - "dunkelgrün" schmeckend.

Rheinhessen. Stefan Winters Weine hatten uns schon am Vortag auf der Ortsweinpräsentation gut gefallen . Hier: Geyersberg. Fest und straff, rauchige Mineralik, gute Säure. Schön.

Pfalz. Bürklin-Wolf. Ein Gutswein, den man wahrscheinlich blind erkennen würde. Trocken, kernig, animierend, ein guter Trinkwein. Visitenkarte mit Wiedererkennungswert.

Weingut Kranz mit einer Fassprobe "Vom Landschneckenkalk" - ein Ortswein. (Dazu demnächst mehr.) Sehr schlank, dabei saftig und frisch, kühle Mineralik. Das 2011er GG Kalmit mit viel Melonenfrucht und salziger Mineralik.

Theo Minges. Ein Wein, der Froschkönig heißt. "Old-school"-Freaks, aufgepasst! Fassprobe, Jahrgang 2011. 3000 Liter. Lange Maischestandzeit. Rein spontan vergoren. 16 Monate auf der Vollhefe sich selbst überlassen. Bestes Lesegut und Vertrauen des Winzers darin, dass der Wein "wie ein Pubertierender" seinen eigenen Weg findet. Reife Steinobst- und weiße-Beeren-Aromen. Ungemein tiefgründig und vielschichtig, noch ein bisschen unruhig, aber mit viel Druck. Chapeau.


Franken. Bickel-Stumpf. Frickenhauser Kapellenberg, Fränkischer Gemischter Satz trocken. Silvaner, Riesling, Traminer, Elbling, Gelber und Roter Muskateller sowie Heunisch. Irgendwas vergessen? Zart, süffig, charmant, ein unkomplizierter Sommerwein. Daneben der Silvaner trocken vom Frickenhausener Kapellenberg. Schöne, feste Frucht, Steinobst, viel tiefe Mineralik.

Rheingau. Eigentlich wollten wir uns das für die Schlemmerwochen aufheben, aber wenn man schon mal da ist ... Flick. Hochheimer Königin Victoriaberg. Riesling trocken. Ein mächtiger Wein, viel süßliche, dicke Frucht, Alkohol und Länge. Charmanter der Riesling aus dem Wickerer Nonnberg, tolle Nase, saftig und rund, opulent, aber nicht breit.

Graf von Kanitz. Riesling Lorch Quarzit. Rauchige Mineralik, verhaltene süßliche Frucht, knallige Säure. Stark!

F.B. Schönleber. Eine der Neuaufnahmen. Riesling Mittelheimer Edelmann. Sehr kernig, mal wieder viel, gute Säure, ausgesprochen unsüß, tiefe, würzige Mineralik.


Die üblichen Verdächtigen, quer durch alle Anbaugebiete - durchgängig groß. Nicht überraschend, aber erfreulich.

Ob der VDP sich mit der neuen Lagenklassifikation hingegen einen großen Gefallen getan hat, ob und wie das beim Verbraucher jenseits der Freak-Szene ankommt - viele offene Fragen. Demnächst in diesem Theater.





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