Sonntag, 7. Oktober 2012

Rot-Weiß-Riesling

Mal wieder: Riesling. Im Rheingau hat jetzt die Hauptlese begonnen. Die ersten Vollernter sind unterwegs, diejenigen Winzer, die per Hand lesen (lassen), stehen in den Startlöchern, etwa Balthasar Ress oder Désirée Eser. Alle lesen nervös die Wetterberichte, bleibt's trocken, wann kommt wieviel Regen, alle Jahre wieder dasselbe Spiel.

Ich lese gerne. Wenn die ersten Trauben mit diesem ganz speziellen "Klonk" in die Eimer fallen, wenn es nach Traubensaft riecht und die Säure einem richtig in der frischen Kratzwunde piekt, wenn man sich durch die Reihen bergauf arbeitet, dann geht es mir gut. Bappige Hände hin, Muskelkater nach dem ersten Tag her.
Ehrensache, auf den Hilferuf der Jungwinzerin von gegenüber auf fb "Suchen noch dringend gutes Lesepersonal für dieses Wochenende!" -"Wir sind dabei!" zu schreiben.

Erster Weinberg: Eine Parzelle von nur sechs Zeilen mitten in einem Wohngebiet. Ringsum wird gebohrt, gekreissägt, gehämmert und gemäht. Ein Samstagvormittag in Deutschland. Und wir mittendrin, mit Scheren, Leseeimern und einem Büttenträger - dem Winzer selbst.
Supergesunde Trauben, nur unten in der Senke und oben in den letzten Stöcken ganz vereinzelt Essignester. Mindestens ordentliche Kabinettqualität, und das in Menge.

Nach einer Stunde geht's weiter, bergauf. Der Hospitant fährt im Unimog mit, ein uriges Gefährt, Jahrgang 60, Maximalgeschwindigkeit 53 kmH. Damit hat Guidos Vater noch Wein ausgefahren, Mitte der 60er, auf der Autobahn runter an den Bodensee, die ganze Familie im Führerhaus zusammen gepfercht.
Alleine für solche Geschichten liebe ich die Weinlese!


Der nächste Wingert hängt auch voll, gepflanzt Ende der 50er. In drei Jahren ist hier Schluss, dann kommt die Flurbereinigung. Hier schrecken wir eine Großfamilie winziger brauner Feldmäuschen auf, die es sich auf den Bogreben gemütlich gemacht hat und panisch flüchtet, als die Scheren immer näher kommen und die schützenden Trauben kappen.

Pause. Dazu fahren wir noch ein Stückchen, dorthin, wo die Neuanlagen sind. Bio-Wingerte neben konventionellen, in manchen steht der Raps höher als die Reben. Schinkenbrötchen, Cola, Weinschorle, ganz so feudal wie beim Wertz ist es nicht, dafür trinken Guido und A. Rotwein-Cola. Rotwein-Cola!? "Jedes Jahr im Herbst!". Aha. Ich gestehe, ich hab es nicht probiert.

Dafür geht es jetzt in dem, Tataa!, Roten Riesling. Vor zwei Jahren nach der Flurbereinigung gepflanzt, 1000 Stöcke. Vollreife, süße, äußerst aromatische Trauben. Roter Riesling, eine traditonelle Sorte, im Rheingau fallen mir spontan nur eine Handvoll Winzer ein, die ihn im Programm haben - darunter Corvers-Kauter und Allendorf. Noch tragen Guidos Stöcke zu wenig, als dass separater Ausbau sich lohnen würde. Aber der Rote ist im Kommen, ein paar Minuten, nachdem ich das Bild auf fb hochgeladen habe, fragt der erste (Rauenthaler) Kollege, wer wo RR stehen hätte - er selbst hat erst vor einem Jahr welchen gesetzt.


Roter Riesling, zweijährige Anlage.


Elf Reihen mit ein, zwei Träubchen pro Stock, auch das geht ratz-fatz. Und als wir auf den Hof rollen, fallen die ersten Tropfen des Regens, der für morgens angekündigt war.

Und weil es wirklich höchste Zeit ist, mal ein bisschen  Fremdwerbung. Den Winzer gegenüber kennt außerhalb von Eltville oder des Rheingau kaum jemand, sieht man von den Stammkunden ab, die Guido mehrmals jährlich mit dem Bussje beliefert.
Dabei hat er einen superguten Literwein zu einem albernen Preis im Programm, kräftig, mit Charakter, bisschen mineralisch, gut, sowohl trocken als halbtrocken, und das alle Jahre wieder. Da kommt vieles, das Rang und Namen hat und für das dreifache über den Thresen geht, nicht ran.
 
Liter für 3,50E, ja, richtig gelesen. Und GUT!
Seine 2002er milde Spätlese, oder auch die 2009er Auslese - einfach gut. Und sein Weinbrand gehört zu den Besten hier im Rheingau.


 
Ist einfach so. Und es gibt ja einen Grund dafür, dass die Flasche leer ist
Also, Weinwanderer, kommst Du nach Martinsthal, ruf vorher bei Paul Keßler Nachfolger bzw. Familie Arnold an, probier die Weine!

(Ne Website gibt es nicht, aber das Oertliche hilft weiter. Und per PN reiche ich auch gerne eine funktionierende E-Mail-Adresse weiter!)