Freitag, 25. Januar 2013

Weinrallye #59: Exotische Weine / Sein oder nicht sein - Wein im Staate Dänemark

Weinrallye #59Wein aus Dänemark? Und Ananas aus Kanada. Für viele deutsche Weinliebhaber klingt das zunächst wie ein Witz. Was die wenigsten wissen: Dänemark verfügt über Pflanzrechte für 99 Hektar Weinberge. Und es gibt dort bereits 55 Weingüter, die kommerziell produzieren und vermarkten. Dazu kommen Dutzende Hobbywinzer mit Mikro-Rebflächen, die ihre Weine nicht verkaufen dürfen. Dänemark, ein Weinland der Zukunft? Eine Momentaufnahme aus dem Sommer 2012.




Wer etwas über modernen Weinbau in Dänemark wissen will, kommt an Lars Hagermann nicht vorbei. 1975 importierte der gebürtige Schwede und begeisterte Weinliebhaber die ersten Weinreben aus Franken und pflanzte sie in der Nähe des Städtchens Ålsgårde auf Seeland, 50 Km von Kopenhagen an der Nordküste gelegen. In den 80ern vergrößerte er die Rebfläche sukzessive und gründete schließlich 1998 das Weingut „Domain Aalsgaard“


Auf knapp 0,7 Hektar stehen inzwischen rund 2.000 Rebstöcke – ausschließlich weiße Sorten. Frühreife Neuzüchtungen, die auch in Deutschland kultiviert werden, wie Ortega, Kerner und Siegerrebe, aber auch die hierzulande eher unübliche Madeleine Angevine sowie, seit 2005, auch Solaris.

Das Zeitfenster für die Wachstumsperiode ist in Dänemark viel kleiner als in unseren Breiten, die Blüte beginnt später, die Reifephase läuft trotzdem selbst für die „frühen“ Sorten bis in den Oktober. Doch das milde Klima durch die Nähe zum Meer begünstigt den Weinbau, Hagermanns Weinberg „Højbjerg“ – zu deutsch: Hochberg - liegt zudem in einer perfekten Südhangausrichtung. Vorwiegend Lösslehm, zur Talsenke hin auch etwas Kalkstein - Steillage auf dänisch.

Lars hat seinen Weinberg eingezäunt – nicht der Wildschweine wegen, sondern, um Spaziergänger abzuhalten, die gerne ein paar Trauben „probieren“. Ein Warnschild soll auch übermütige Jugendliche fernhalten – mit Erfolg.

Ausgebaut werden die Weine in Edelstahl-Schwimmdeckeltanks. Vier Stück à 300 Liter, dazu einige Glasballons, eine kleine Füllanlage, ein Minilabor. Eine Puppenküche im Verhältnis selbst zu kleinen deutschen Weingütern.

Was als „verrücktes“ Projekt begann, hat längst Rennomé – nicht nur in Dänemark. Der Jahrgang 2009 geriet zum Erfolg. Hagermanns Madeleine Angevine, gelesen Mitte Oktober mit 86 °Oechsle und 7,7 Gramm Säure, wurde 2012 auf dem Nordseeland-Gourmet-Festival als „Bester Weißwein des Jahres“ ausgezeichnet  und setzte sich gegen Konkurrenten aus Deutschland, Frankreich und Deutschland durch. Fast 20 Euro kostete die 0,5-Liter-Flasche – für deutsche Verhältnisse horrende Preise, für dänische Weine eher die Regel als die Ausnahme.

Verkosten können wir aus dem Nachfolgejahrgang Madeleine Angevine, Solaris und Ortega.
Die Weine sind allesamt sehr säuregeprägt, fallen aber auch durch eine deutliche mineralische Note auf.

2010 Madeleine Angevine
Trocken
Domain Aalsgaard
Regionaler Wein aus Seeland
10%
Frischer Duft, Zitrusfrüchte, weiße Blüten, ein bisschen weißfleischige Melone. Auf der Zunge knackige Säure, packende, präsente Frucht, mineralische Noten, feste, gute Länge.

2010 Ortega
Trocken
Domain Aalsgaard
Regionaler Wein aus Seeland
10,5%
In der Nase säuerliche Quitte, etwas Muskatblüte, ein bisschen Birne. Im Mund säuerliche, etwas verwaschene Frucht, Birne Quitte, etwas Bienenwachs. Schöne Länge.

2010 Solaris
Trocken
Domain Aalsgaard
Regionaler Wein aus Seeland
10,5%
Der Wein, mit dem wir am wenigsten klarkommen. Etwas vordergründiger Maracujaduft, frisch, aber nicht übermäßig komplex. Auf der Zunge kernig, ein bisschen rustikal, würzige Noten.

Lars Hagermann empfiehlt seine Weine zu Fisch- und Schalentiergerichten, Nordisk Cuisine, und die dänischen Top-Restaurants haben Domain Aalsgaard selbstverständlich gelistet – neben Weingütern wie Klaus-Peter Keller. Uns serviert er ein Smorrebrod mit gebratenem Ziegenfrischkäse und Bärlauchblüten – und hat auch noch einen Restauranttipp parat. Das „Café Nord“ in Ålsgårde, auf Seeland bekannt als das „kleine Noma“. Exzellente Küche zum vernünftigen Preis.

Zurück zum Weinbau. Die 55 „offiziellen“ Weingüter werden größtenteils im Nebenerwerb betrieben. Dazu kommen noch Hunderte Hobbywinzer, die auf Mikroflächen Reben anbauen.

Kurt Zangenberg hat hinter seinem Haus in Snekkerup einen Weinberg angelegt – 0,4 Hektar klein. Darauf stehen: Rotweinreben. Denn Zangenberg ist „rotweinverrückt“. Wie die meisten Dänen, meint er. 
(Kurzer persönlicher Zwischenruf: Kann ich so nicht bestätigen ...) Léon Millot und Rondo hat er 2005 gepflanzt. Die Reben werden vergleichsweise stark angeschnitten, zwei Bogen, nur ein KiloTrauben je Stock.Der Boden ist in den vorderen Reihen sandig, nach hinten wechselt er zu kiesigem Ton. Das gibt den Weinen einen kräftigen Touch – sagt der Winzer. 



Der Keller: Ein ehemaliger Pferdestall. Die Trauben werden entrappt, in Edelstahltanks fermentiert, durchlaufen eine malolaktische Gärung. Wenn es genug Trauben gibt. Die Bilanz des Jahrgangs 2011: 10 Liter Rondo. Ein kleiner Glasballon.
2010 sah es etwas besser aus, wenn auch mit exorbitanten Säurewerten, die eine Doppelsalzentsäuerung nötig machten. Normalerweise baut Zangenberg die Rotweine sortenrein aus, 2010 gab es auch eine Cuvée.

Wir probieren:

2010
Léon Millot
Gelesen mit 64° Oechsle und 15,2 Gramm Restsäure. 50 Liter Ausbeute. Entrappt, maischevergoren, sieben Monate im Fass ausgebaut – in der sechsten Belegung.
In der Nase Gewürze, schwarzer Pfeffer, wild, fleischig, animalisch, darunter mischen sich mit mehr Luft süßliche Noten. Reife rote Pflaume, Maulbeere, Lebkuchengewürz.
Auf der Zunge fest und straff, rotes Fleisch, Leder, Mokkaschokolade, gute, feste Länge, aber nicht fett und sättigend.

2010
50/50
Léon Millot&Rondo
In der Nase reife schwarze Beeren, Leder, leicht flüchtige Töne, torfige Noten.Auf der Zunge straffe, austrocknende Frucht, gute Säure, schönes Tanningerüst, ziemlich elegant, dabei komplex mit guter Länge.

Ja, wir reden von Rotwein aus Dänemark. Hochinteressant, zu Unrecht unbekannt und wenn bekannt, dann unterschätzt. Noch sind es Orchideenprojekte – aber der Erfolg gibt ihnen jetzt schon Recht.

Zum Abschluss des Schnappschusses zieht es uns doch noch einmal zu einem Weißweinwinzer.

Wobei Kim Møllebro Hansen auch Rotwein im Sortiment hat. Sein Weinberg liegt ebenfalls auf Seeland.
Im Portfolio: Zalas Perle, Cabernet Cortis, Leon Millot. Und Regent. Ursprünglich.
Umgeben von Flieder- und Nussbäumen stehen auf 500 Quadratmetern zehn Reihen à 50 Meter. In der ersten Zeile gibt es erfahrungsgemäß fast keinen Ertrag – der Wind, die Wildtiere, der feuchte Wald.
Dann kommen die Hoffnungsträger. Leon Millot, mittlerweile 100 Stöcke, 30 Stock Cabernet cortis, drei Reihen Rondo. Ursprünglich stand hier Regent. Acht Jahre hat Kim damit experimentiert, die Stöcke wollten und wollten sich nicht eingewöhnen. Zu schwer der Boden, zu viel Sturm und Regen, „sie fühlten sich nicht wohl“, bilanziert der Winzer. Und dann kam jemand aus Korsør, aus der Stadt am Fuß der Großen Beltbrücke, der kaufte die Stöcke, grub sie aus und pflanzte sie auf eine kleine Insel im Belt. Und dort, so berichtet er, wachsen und gedeihen die Reben – dort fühlen sie sich offenbar wohl.

Hier probieren wir den letzten Wein unserer dänischen Momentaufnahme.

2010
Zalas Perle
Bedsted
12%

Duft nach Kiwi, Honigmelone, Orangenblüten und Akazienhonig.
Auf der Zunge schöne, trockene Frucht, Zitrus, rosa Grapefruit, Anklänge von Akazienhonig. Dezent unterlegt von Säure (immerhin 8,6 g!), leicht und zart wirkend, hintenraus nussige Töne mit einem leichten Bitterchen.

Sechs dänische Weine, ein Schnappschuss, mehr nicht. Aber einer, der neugierig macht auf mehr.