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Mittwoch, 15. Juli 2015

Noch ein Fest? Noch ein Fest! Unser Hauptstraßenfest!

Im Sommer wird im Rheingau gefeiert. Kein Wochenende, an dem nicht mehrere Feste zwischen Hochheim und Lorch stattfinden, alle mit Wein, die meisten mit Livemusik und sehr, sehr viele mit den mehr oder weniger immer gleichen Ständen - Nierenspieß, Crêpes, Pizza.

Etwas spezieller, vielleicht nicht ganz so "professionell", aber dafür oft gemütlicher sind die kleineren Feste - Dorfkerben, Tage der offenen Tür bei der Feuerwehr und natürlich die Straßenfeste.

In Martinsthal hat das Hauptstraßenfest eine lange Traditon. Vor etwas 40 Jahren war es eines DER Feste im Rheingau, rechts und links der alten Hauptstraße öffneten Anwohner für ein Wochenende ihre Höfe, im alten Lindenkeller gab es eine Disco, drei Tage lang feierten die Martinsthaler mit Freunden und Gästen auf der Straße.
Irgendwann wurde die schiere Menge der Feste im Rheingau erdrückend, das Martinsthaler Weinfest wanderte an den Weinprobierstand im Walluftal, und das Fest war Geschichte.

Bis in Martinsthal die Hauptstraße über viele Monate aufgerissen, saniert und neu geplastert wurde und die Anwohner das am Ende doch frohe Ereignis wieder mit einem Fest feierten - 2010 war das.
Hauptstraßenfest, reloaded, immer am dritten Juliwochenende.
Kleiner als das parallel stattfindene Lindenfest in Geisenheim, weniger speziell als die Schlangentage, aber dafür nachbarschaftlich und gemütlich. Einer der schönsten Innenhöfe - der von Gabriele und Guido Arnold - wird zur Straußwirtschaft, Zelda Klein backt ihre berühmten Frühlingsrollen. Bier und Cocktails gibt es natürlich auch, vor der Salongesellschaft kann man herrlich chillen, Tanja Nehrbauer öffnet ihr Waffelkaffee und organisiert Spiele und eine Rallye für die Kinder.

Wir sind auch dabei - mit dem verschobenen Tag der halboffenen Kellertür. (Wie der eine oder andere vielleicht mitgekriegt hat, war die Hälfte der Belegschaft - für fast drei Monate im Weingut zu wenig zu gebrauchen.)
Beim Hauptstraßenfest präsentieren wir unseren neuen Jahrgang - sechs Weine vom trockenen Martinsthaler über zwei Mittelrheiner bis zu unseren Topweinen aus Rheingauer Erste-Gewächs-Lagen.
Es ist uns ein Vergnügen - und ein Fest, natürlich. Und wir freuen uns auf Euch!

Freitag, 17.7. ab 17 Uhr
Samstag, 18.7. ab 17 Uhr
Sonntag, 19.7. ab 11 Uhr zum Mittagessen, richtig los geht es ab 15-16 Uhr

Und wer dann noch nicht genug hat, kann uns am 5. und 6. September in Martinsthal besuchen - bei unserer Jahrgangspräsentation, jeweils von 14 bis 18 Uhr. Bei uns gibt's was zu probieren und trinken, bei den Kollegen auch was zu essen.
Wir sehen uns hoffentlich!

Skål!

Donnerstag, 28. Mai 2015

Drei Wochen war der Frosch so krank ...

... nun, genauer gesagt waren es jetzt schon sieben Wochen. Sieben Wochen, die uns gezwungen haben, komplett umzudisponieren. Umzuplanen, neu zu denken.
Weniger wichtige Dinge abzusagen oder zumindest weit nach hinten zu schieben.
Unumgängliche Dinge anders zu organisieren. Freunde und Familie um Hilfe zu bitten.
Biegen und Binden im Weinberg. Biodünger verteilen. In der Einzelstockerziehung die Pfähle gerade rücken  oder neu einschlagen. Mähen. Ausbrechen. Weine filtrieren. Füllen.
Vom alltäglichen Kleinkram (Duschen, Anziehen, Schuhe zuschnüren, Waschmaschine befüllen, Wäsche aufhängen, volle Kochtöpfe von links nach rechts heben, Nudeln abschütten, Einkaufskorb anheben, Wasserkisten ... mal ganz abgesehen.

Nichts Lebensbedrohliches war passiert, aber mit einem gebrochenen Schlüsselbein lebt, bewegt, hebt und trägt es sich anders, das habe ich gelernt.
Und dazu, wie wichtig und tragfähig dieser blöde Knochen ist, wenn er denn heil ist und nicht beim blöden Sturz in drei gleichmäßige Stücke zerbrochen ist.
Es geht voran. Jetzt raucht sie nicht, aber sie trägt wieder, Gott sei Dank.
Vielen, vielen Dank an alle Unterstützer. Abstützen durfte ich mich übrigens auch nicht.

Donnerstag, 26. Februar 2015

Weinrallye #83: Wein in Film und Fernsehen

Ich weiß, eigentlich müsste das Thema mich geradezu anspringen. Wein, Film, Fernsehen, die drei großen Lieben meines Lebens (ok ... nicht nur), da muss doch was funken.
Allein, es funkt nicht viel. Vielmehr: Nichts.



Die mehr oder weniger großen Wein-Kinofilme - gähn. Jeder hat sie gesehen, jeder würde sie nehmen.
Die mehr oder weniger erfolgreichen Versuche, das Thema vorabendtauglich oder primetimegemäß zu werwursten - gähn, gähn, gähn, von den Fallers - "Alla, trink mer noch oiner" über Moselbrück " ---" bis zum Winzerkönig "ohne Worte", Danke, nein, bitte nicht.

Und nein, über den letzten Bodensee-Tatort mag ich auch nicht schreiben (wäre es doch nur ironisch gemeint gewesen) und schon dreimal nicht über die durchaus gut gemachten, gleichwohl nicht ganz untendenziösen Reportagen über Weinmacher aus meinem Haussender.
Und nein, ich schreibe auch nichts über die Weinköniginnenwahlen. (Wobei, warum eigentlich nicht? Nur nicht heute, aber das ist ein tolles Thema. Bericht folgt.)

Also, ich bin spiegelblank. Ideenmäßig auf dem Trockenen.

Was auch damit zu tun hat, dass ich finde, dass das Thema Wein sowohl in der nachrichtlichen als auch in der bunten Berichterstattung sträflich vernachlässigt wird.

Wir sehen die hunderfünfzigste Reportage aus dem Schweineknast und die achtzigste Geschichte vom Heile-Welt-Biohof, wir lernen alles über Acrylamid und Aluminiumdeos und keiner erzählt uns, wie Wein wirklich gemacht wird, dass familiäre Betriebe nicht automatisch für Handwerk, Typizität und Qualität stehen, dass Großunternehmen nicht automatisch industriell arbeiten und Massenplörre erzeugen und dass das, was der romantische Verbraucher sich so vorstellt, wenig mit der Wirklichkeit zu tun hat.

Ja, es gibt sie, die guten Formate, aber sie spielen ausnahmslos nicht im linearen Fernsehen, sondern im  Netz.
Nur mal zwei Beispiele: *klick* *klick*

Und wenn sich ein gutes Format doch mal in die herkömmlichen Ausspielwege verirrt, wird es gnadenlos abgestraft und irgendwann eingestellt. Leute, das hat verdammt viel mit Format, Form und Fantasie zu tun. Und FWissen.
Ich kriege einen hysterischen Anfall, wenn ich Bilder vom Winzer mit Faßprobe und Kerze im tiefen Keller sehe, wenn erwartbare Nostalgiekitschbilder darüber hinwegtäuschen sollen, dass Reporter und abnehmender Redakteur von der Materie soviel Ahnung haben wie die Kuh von der Atomphysik und wenn Agrarlobbygeschwafel 1:1 abgebildet wird -  ohne Nachfrage, weil: siehe voriger Punkt.

Wein ist in aller Munde, Wein hat längst den Elitenimbus verloren, selbst im Discounter gibt es zugegebenermaßen langweilige, aber technisch korrekte Erzeugnisse, wo, zum Teufel, bleibt die angemessene Berichterstattung - über das Regionalfenster hinaus, wir berichten ja auch über Milchwirtschaft, die angesprochenen Schweineställe und Trends in der Bierindustrie?

Eine Steilvorlage, eine Riesenchance, die man einfach vorüberziehen lässt. Ein Riesenfehler, finde ich. Wir hätten das Thema, wir hätten die Leute, wir hätten gute Presentertypen, wenn wir nur wollten.

Dafür, dass es mir egal ist, habe ich mich gerade ganz schön in Rage geschrieben, ich weiß.

Dafür gibt es jetzt auch noch eine Geschichte, eine skurrile, eine schöne, eine filmreife.
Von unserer Weinrunde hatte ich ja bereits mehrfach berichtet (oder nicht? dann nur nicht hier).

8-12 Leute, die sich für ein Wochenende in einer Weinregion treffen, Bottleparty am Freitagabend, 2-4 Winzerbesuche und abendliches Essengehen am Samstag, Ausklang am Sonntag. Mit den Winzerbesuchen sind Weinproben und umfangreiche Einkäufe verbunden.

Wir waren für den frühen Samstagnachmittag bei einem Winzer angekündigt, nach einem ausgiebigen Mittagessen aber zeitlich leicht im Verzug - ca. 30 Minuten.

Auf unser Klingeln ertönte hysterisches Hundegekläffe, die Dame des Hauses riss die Tür auf und ließ ein Donnerwetter auf uns niedergehen, sie sei in Eile, die Probe kaum durchführbar, auf unsere Beteuerung, wir seien Verkostungsprofis, ließ sie uns doch ein, scheuchte uns in den Proberaum, den herbeigeeilten Kläffer im hohen Bogen in den Nebenraum befördernd, was wenig half, da dieser sich als Durchgangszimmer erwies und der Kläffer nun etwas besser gelaunt unsere im Feldwebelton auf die Stühle kommandierte Weinrunde begrüßte.
Wir probierten ziemlich eiligst und ein bisschen kleinlaut, kauten pflichtschuldig das dargereichte Weißbrot ("was heißt, das brauchen Sie nicht? Ich hab das extra für Sie gekauft!") und notierten brav unsere Wünsche.
"Wie, Sie wollen was kaufen und das jetzt mitnehmen?"
Hektisches Zusammenrechnen -"das können wir Ihnen abnehmen?!" - überhasteter Aufbruch zum benachbarten Hochregallager (Jacken anziehen wird überschätzt), es folgten Balanceakte auf der Rollleiter, von zwei starken Männern gehalten (O-Ton H.:"Ich kann da nicht hinsehen!"), Flaschen, die in Kartons gepfeffert wurden, Kartons, die in Kofferräume gestopft wurden, Rechnungen, die Wochen später kamen und vorne und hinten nicht stimmten, die wir aber alle anhand der eingesackten Flaschen beglichen haben.

Großes, großes Kino, eine Probe, von der wir seit langem erzählen und noch lange erzählen werden. Und danke, ma chère Susa, dass Du Deinem ersten Impuls nicht nachgegeben und diese filmreife Probe nach fünf Minuten verlassen hast - was für eine wunderbare Geschichte.

Und weil es bei der Weinrallye ja am Ende auch um Wein gehen soll, stelle ich jetzt eien vor, wenn auch keinen dieser legendären Probe (obwohl ich noch was davon im Keller habe). Stattdessen gibt es ausnahmsweise mal nicht Riesling, nicht mal Weißwein, sondern Rotwein aus Südtirol.

Von unserem wunderbaren Zusammentreffen mit Andi Sölva habe ich ja hier und da schon berichtet, aber auch das ist eine eigene filmreife Geschichte wert (mehr demnächst hier).
Vor kurzem haben wir die vorletzte Flasche unseres Kistentauschs aufgemacht, den 2012er "Sea". Sea, so heißt der Kalterer See bei den Einheimischen. Und ja, es handelt sich um einen Kalterer See, einen richtig klassischen, aus alten Anlagen, bei kleinem Ertrag gefahren, ja, handwerklich und mit viel Fingerspitzengefühl für Rebsorte, Tradition und Möglichkeiten gemacht.

In der Nase Brombeere, Leder, sehr dicht und komplex, ein bisschen Mokka und verhalten süßliche Zwetschgentöne. Im Mund Brombeerfrucht und Pflaume, Sauerkirsche, würzige Kakaonoten, Mokkaschokolade, ein Wein mit verdammt viel Substanz, der trotzdem eine gleichsam schwebende Eleganz und Größe offenbart. Kalterer See.

Großes Kino.

Gastgeber dieser Weinrallye ist edelste-weine.de, mehr dazu hier: http://www.edelste-weine.de/weinrallye-83-wein-film-und-fernsehen-blogparade/

Mittwoch, 31. Dezember 2014

Weinrallye #81: Wir schenken uns reinen Wein ein

Ich bin spät dran, richtig spät. Draußen ist es fast schon dunkel, der Tag neigt sich dem Ende zu, das Jahr 2014 sowieso. Ich war in den vergangenen Tagen nicht besonders oft online, mir war es kurz vor Weihnachten einfach zuviel mit den gefühlten und den echten Tragödien, mit Leid und Selbstmitleid, mit Teilungswut und Teilnahmslosigkeit. Und ich bin natürlich ein Teil davon. Ein bisschen Verzicht hat ganz gut getan. Dazu kam, dass wir derzeit ohne WLAN und mit nur einem Laptop unterwegs sind - ja, das gibt es noch ;-). Und wenn die Prioritäten gerade so sind, wie sie sind, überlasse ich dem Liebsten seinem Modellbahnforum und lese meine heruntergeladenen Weihnachtsbücher auf. Eins habe ich noch.

Verzichtet haben wir im Großen und Ganzen auch auf Geschenke. Ein Buch nach Wunsch, ein selbstgekochtes Festessen, gute Weine, fertig. Umso mehr gefreut habe ich mich über einen Überraschungswein, den diese Weinrallye uns beschert hat. Ok, eine Überraschung mit Ansage.

Von wem er kam, wusste ich nicht, bis es am 2. Adventssamstag an der Tür klingelt. Wir sind auf dem Sprung ins Städtchen, Weihnachtsmarkt im Langwerthschen Hof mit Eröffnung durch den Posaunenchor, mittendrin unsere liebe Freundin Cantate aka Ronja Crescendo. "Hier ist Sven!" - "Komm rein!" Ich kenne keinen Sven. Doch! Klar kenne ich Sven Zerwas, den Stift!

Da steht er, in der Hand eine Flasche Rotwein. Merlot. Aus dem Württembergischen. Aha. "Franziska". Sagt mir nichts, aber auch überhaupt nichts. Aber wenn der Stift schon mal da ist, kann er gleich die Fassproben probieren, die wir am Morgen gezogen haben. Und so probieren wir und reden über das Jahr und den Herbst und über die Mühe und die Fäulnis und die Menge und die Qualität und den Projektwein. Und brechen überhastet auf, weil wir uns verquatscht haben und er weiter muss und wir ja sowieso ins Städtchen ...

Den Wein probieren wir, bevor wir ihn googeln.
2010 "Franziska", Merlot, im Barrique vergoren. Weingärtnergenossenschaft Aspach.
Etwas verhaltener Duft nach reifen roten Früchten, Sauerkirchen, Pflaumen, weich und samtig. Im Mund rund und saftig, hinten raus leicht austrocknend. Zarte Süße - Holz und Alkohol -, samtig und schmeichelnd.

Der Wein hinterlässt uns etwas ratlos. Gut gemacht, ja, aber da fehlt in bisschen Substanz, ein bleibender Eindruck.Wir stöpseln einen Vinolok auf die Flasche und stellen sie zurück in die "Später probieren"-Ecke.


Aus "später" werden zwei Tage. Dann schenken wir uns jeder ein weiteres Glas ein. Und siehe da: Franziska strahlt! Was verhalten anklang, tritt jetzt in den Vordergrund. Viel mehr Körper, gut eingebettete feine Säure, geschliffenes Tannin. Schöne Überraschung!

Und  beim Googeln finde ich dann auch noch heraus, dass dieser Wein von einem Nebenerwerbswinzer gemacht wurde, einem Verrückten, wie wir es sind, nur, dass Thomas Hentschel ausschließlich Rotwein produziert.

Ein gut gewählter Wichtelwein - Danke dafür - und Danke an Susa, die mit dieser Weinrallye und uns allen zusammen das Jahr 2014 beschließt. Auf ein neues, ein gutes, ein besseres Jahr. Skål!

Und: Godt nytår!




Freitag, 28. November 2014

Weinrallye #80: Nach dem Herbst ist vor dem Herbst

Es ist wieder Freitag, es ist wieder diese Bar Weinrallye, und es fühlt sich ein bisschen an
wie der Groundhog Day. Und dieses Mal sind wir auch noch die Gastgeber!

Also: Ernte 2014 - Eindrücke, erste Bilanz, Meinungen.

Und ich muss dir jetzt erzählen, was mir widerfahren ist... jetzt seh ich die Zukunft positiv, denn ich bin Optimist.


Das Jahr ist irgendwie vorbei gerast, was waren wir froh, deutlich vor dem außergewöhnlich frühen Austrieb mit Schneiden und Binden fertig geworden zu sein. Dann wurde es erst zu Ostern und dann zu Pfingsten richtig warm, nein, heiß, frühe Blüte, die Reben explodierten geradezu, und wir mussten uns beeilen, mit Mähen, Grubbern, Mulchen und Spritzen hinterher zu kommen. Indess: Picobello saubere Laubwände, kein Pilzdruck, keine Krankheiten, bis weit in den Juli hing es wun_der_schön.

Bis zum Tag, als der Regen kam. Und es warm blieb. Und die Peronospora explodierte.
Und es regnete ... Von Woche zu Woche, später von Tag zu Tag konnte man die Menge, die im Juli noch so exorbitant erschien, schrumpfen sehen.

Wo man auch hinschaute und -hörte, wurde aus Skepsis Nervosität, aus Unkenrufen Totengesänge. Der Arschjahrgang 2014 war schon lange vor der Lese geboren (und wurde, um das vorweg zu nehmen, sang- und klanglos beerdigt).

Ja, einfach war der Jahrgang nicht, die Kirschessigfliege tobte bei den roten Sorten, vielerorts gab es Probleme mit Essigfäule, die vor allem bei Anlagen, die vom Vollernter gelesen werden, extrem sorgfältige Vorselektion erforderten. Ach: Und wenn ich noch einmal hören oder lesen muss "Einfach kann jeder! ... liebe Leute, zur Abwechslung hätte ich nichts, aber auch gar nichts gegen einen wirklich einfachen, tollen, gesunden und, wenn man will, überreifen Jahrgang.

Trotzdem - was uns persönlich angeht - wir konnten Anfang Oktober die Trauben aus unseren beiden Rauenthaler Lagen Rothenberg und Wülfen (beide EG-qualifiziert) bei strahlendem Sonnenschein kerngesund in schöner Spätlesequalität ernten.

In unseren Parzellen am Mittelrhein waren die Mostgewichte etwas niedriger, trotzdem schmeckten die Moste konzentriert und intensiv. Hier gibt es in diesem Jahr drei Weine, von der trockenen dicken Kabinettqualität bis zur Auslese.

Die Weine haben sich gut geklärt, sind spontan angegoren und gären zum größten Teil noch langsam vor sich hin, wir werden sie wohl kurz vor oder nach Weihnachten abstechen.
Moderate Säurewerte, viel Extrakt, Reintönigkeit, jetzt schon Tiefe und Druck - kein Ausnahmejahrgang, aber einer, der das Maß wieder zurecht rüttelt, sowohl von der Menge als auch von der Qualität her.

Es ist, es war ein ungewöhnliches, vor allem ein ungewöhnlich warmes Jahr, selbst in unserem an sich kühlen Keller herrschten bis vor zwei Wochen noch so hohe Temperaturen, dass wir durch Bodenbenässung und Lüftung kühlen mussten.
Bis vorgestern hingen im Rheingau und am Mittelrhein überall in den Weinbergen noch reichlich Blätter an den Reben, dann kam zum Glück eine richtig kalte Nacht, und nun dürften sich die Stöcke in den Winterschlaf verabschiedet haben. Was bedeutet, dass wir mit dem Schneiden anfangen können und ein neuer Zyklus beginnt - nach der Lese ist vor der Lese.

Und keine Angst, nach so viel Weinbergsprosa gibt es auch etwas zu trinken. Denn wir konnten ein lang gegebenes Esseneinladungsversprechen wahr machen. Leider - aus Gründen - nur mit der Hälfte der erwarteten Gäste, aber wir haben ein Glas auf der Abwesenden Wohl getrunken und rechnen für das Nach-dem-Herbst-Essen 2015 fest mit ihnen.





Es gab ein einfaches, aufgebohrtes Essen rund um die tote Wildsau, sprich, Wildsaugulasch von der Rheingauer Wutz mit Vanillewirsing und Semmelknödelbuttermilchsoufflée im Zentrum nach einer klaren Steinpilzessenz (chakka!), Selleriegedöns nach Bushcook davor und noch vorher marinierten Saibling mit Gemüsekram und Wurzelchips. Danach ein Safraneis, Exotensalat und Orangenblätter und zum Schluss Salt&Pepper-Brownies.

Nix Experimentelles, gut vorzubereiten und bodenständig.
Und eigentlich nur der Anlass, was Anständiges zu Trinken auf den Tisch zu stellen. (Rezepte liefere ich auf Wunsch gerne nach).

Ich erspare Euch die Strecke (oder wollt Ihr???) und nenne nur zwei - persönliche - Highlights - Anfang und Ende, sozusagen. Beides sind übrigens Tropfen aus Gammel- und Arschjahren, das nur am Rande.

Vorweg - warum in die Ferne schweifen, wenn Kollegen sowas Schönes machen:

2006
Ratzenberger 
Spätburgunder Blanc de Noir brut
Sekt
13 %

In der Nase reife Walderdbeertöne, kräutrig, süßlich, nussig, würzig.
Auf der Zunge wieder Erdbeeraromen, Zitrus, weiche Nussaromen, saftig und schön trocken zugleich, das alles ungemein cremig mit viel Schmelz, dicht und fest und dabei sehr elegant, feines Mousseux, sehr gute Länge.
Chapeau! Ein großartiger deutscher Sekt, der sechs !!! Jahre auf der Hefe lag und sicher nicht nur in Deutschland in der Top-Liga mitspielt - toll gemacht, Jochen Ratzenberger!
(Und das Beste: Man kann ihn ab Hof noch kaufen!)

Nach diversen Rieslingen, Chardonnays, Spätburgundern und Bordeaux sowie dem einen oder anderen Piraten ging es zum Schluss noch mal nach Osten, genauer gesagt, ins Burgenland zu Bernhard Fiedler. Von dem hatten wir nämlich im Rahmen einer Blogger-Wichtel-Aktion und einer folgenden Weinkistentauscherei unter anderem eine Flasche

2006 
Grenzhof Fiedler
Beerenauslese
süß (ACH!)
13,5% 

bekommen. Ja, eine süße BA mit 13,5%.
In der Nase getrocknete Birnen, leicht bitter-nussig, etwas Waldboden und feuchtes Laub.
Auf der Zunge eher leicht im Stil, süßliches Dörrobst, schöne Würze, pilzige Noten, ordentlich Säure, viel Druck, schöne Länge.

Ein guter Ausklang eines einfachen Menüs, der Abend wurde dann noch etwas länger, aber davon bei Gelegenheit mehr.

Und nun hoffe ich auf viele Mitfahrer bei dieser Weinrallye, die ersten habe ich bereits gesichtet. Und freue mich besonders auf die nächste, die von unserer Mistress of Bordeaux, Susa, auf hundertachtziggrad ausgerichtet wird. Cheerio, old Sophie duck!

Freitag, 31. Oktober 2014

Weinrallye #79: Wein genießen an schönen Orten

http://winzerblog.de/weinrallye-79-wein-trinken-an-schoenen-orten-4343/

Was für ein schönes Thema! Wein genießen an schönen Orten. Es geht, so klingt das für mich, ein bisschen weniger um den großen Wein als um den schönen Genussort.
Klar, der erste ... richtig gute Riesling ... Poujeaux ... Pétrus ... name it ... , den habe ich im sensorischen Gedächtnis gespeichert, und den Ort gleich dazu. Aber besonders schöne Orte, an denen man Wein wirklich genossen hat, die sind ihrerseits auch photograpisch ins Gedächtnis eingebrannt. Mir fallen da gleich mehrere ein. Der Einfachheit (aber auch der Bedeutung) halber erzähle ich darum eine Geschichte, die der eine oder die andere vielleicht schon mal gelesen hat, die aber für mich unvergesslich und unsterblich schön ist.


Lange ist es her ...

Wir waren jung, wir hatten Zeit, wir hatten ein Ticket für 398 Mark und vier Wochen vor uns. Und den klassischen Plan: Mailand, Venedig, Florenz, Rom, von Brindisi rüber nach Griechenland, Mykene, Athen, Istanbul und zurück.

Italien lief mäßig an, Venedig im Nieselregen (sehr authentisch), in Florenz kamen wir mitten in der Nacht im strömenden Regen an, bauten das Zelt an einem Abhang auf dem Campingplatz direkt an der Autobahn auf, nein, das war nicht wirklich schön.

Der nächste Tag versöhnte uns mit der schlaflosen Nacht, wir stromerten durch die Stadt, verliebten uns in die kalte Schönheit der Piazza delle Signoria, und liefen am späten Nachmittag hoch zur Piazzale Michelangelo.

Das ist ein Aussichtspunkt auf der anderen Arno-Seite, von dem man einen herrlichen Blick auf die Stadt hat, dort steht eine Kopie des David von Michelangelo, daher der Name.

Der Weg machte hungrig, und irgendwann wurde es dann auch Zeit fürs Abendessen. Nun muss ich sagen, dass unser täglich Brot in jener Zeit auf jener Reise äußerst frugal war. Um genau zu sein, es gab Weißbrot, Tomaten, Pfeffer und Salz, und Käse. Oder Tomaten, Käse, Pfeffer und Salz und Weißbrot . Oder …



So was hatten wir an jenem Abend im Daypack, eine Flasche Wasser, ein Messer, unser Alugeschirr, mehr brauchten wir nicht . Außer einem netten Plätzchen ... das wir vis-a-vis auf der anderen Straßenseite fanden.

Ein Kloster (im Rückblick … wohl eher eine Kirche!?), schöner Innenhof, keine „No Picknick“-Schilder, wir ließen uns auf einer Treppe nieder, breiteten unser kleines Mahl aus, ein Geschirrtuch als Tischdecke, und die Glocken läuteten. Und dann … erschien ein Mönch, und bedeutete uns wortreich und beredt gestikulierend, dass das Kloster jetzt die Pforten schlösse, ja, jetzt, und dass wir unser Abendessen gewiss nicht hier einnehmen könnten.

Also packten wir – ein bisschen traurig – Brot, Tomaten, Käse, Wasser, Salz und Pfeffer wieder ein, traten durch die Klosterpforte auf die Straße, und hinter uns fiel das eiserne Tor krachend zu, die Kette wurde vorgelegt, der Schlüssel gedreht.
Da standen wir nun, hungrig, ausgewiesen, und wieder auf der Suche nach einem netten Plätzchen. Wir wandten uns zu gehen, da hörten wir hinter der schweren Eisentür eine Stimme. Es war der Mönch, der uns eben noch hinausgewiesen hatte, er kam über den Innenhof auf die vergitterte Tür zugelaufen, rief und winkte.

In der Hand hielt er eine Flasche Rotwein, die reichte er uns durch das Türgitter, und ohne Italienisch zu können, verstanden wir: Die war für uns, für unsere Cena, unser Abendessen.

Und die haben wir uns dann auch geteilt, auf der Freitreppe der Piazzale Michelangelo, mit einem kitschig-schönen Sonnenuntergang und dem schönsten Blick über diese wunderbare Stadt.


Und der Wein? Ich weiß es nicht. Ich war zu jener Zeit Weinbanausin, ein Tignanello wird es nicht gewesen sein, aber dieses Gefühl von Glück, Geborgenheit und *Nach-Hause-Kommen* habe ich – vielleicht auch deshalb – oft bei toskanischen Weinen, und wenn es nur Einbildung ist.

Durch einen netten Zufall sein haben wir in diesem Jahr bei unserem Hauptstraßenfest einen Schweden kennengelernt, der in der weiteren Nachbarschaft wohnt, weinbegeistert ist, uns bei der Lese geholfen hat und uns vor zwei Tagen eine Flasche italienischen Rotweins vorbeigebracht hat, den sein Schwiegervater produziert - und für den er künftig verantwortlich zeichnen wird. Hobby, kein Nebenerwerb, ich werde nachtragen, um welche Region, welche Größe und überhaupt was sonst es geht.

Aber getrunken haben wir ihn, den Le Mura 2011, mit großem Genuss.

Das Etikett verrät nur, dass es eine Cuvée aus Cabernet Sauvignon und Sangiovese ist.

In der Nase sauber, waldbeerfruchtig, leicht säuerlich, fleischig, Kräuter und dezentes Holz, ohne die vorlauten Cabernet-Sauvignon-Töne.
Auf der Zunge frisch und jugendlich, verhaltene Frucht, leicht süßlich. Passende Säure, harmonische Tannine, ordentliche Länge.

Kein großer, großer Wein, aber verdammt gut für absolut No-Name - und wenn ich wüsste, wo ich diesen Wein kaufen kann, würde ich das bei nächster Gelegenheit tun.

Skål!



Sonntag, 27. Juli 2014

Spritztour

Es ist das Wochenende der Spritztouren.

Gestern abend mal schnell nach Münchweiler, wo es neben dem Rundfunkmuseum auch ein wunderschönes Anwesen, die Klostermühle, gibt, Anlass: eine Hochzeit! Ja, die Leute machen so was immer noch, sogar nach vielen Jahren. Wunderschön bunt durchmischte Gästeschar, blendend gelaunte Gastgeber, viele reizende Kleinkinder, gute Musik, feines Essen und Trinken ... und ein viel zu früher Aufbrauch, weil heute Spritztour Nr 2 auf dem Programm stand.

Wortwörtlich. Den Rothenberg haben wir neulich nach Feierabend gespritzt, obwohl wir viel lieber ins Taubenhaus von Eva Rapps und Urban Kaufmann gegangen wären. Aber das läuft uns ja nicht weg, im Gegensatz zur Zeit, die wir im Weinberg verbringen müssen.

Also Spritztour in den Fürstenberg. Zum Glück bei angenehmen Temperaturen und etwas Wind. Das macht die Buckelspritze (425 Solo, 15 Liter, manuell) nicht leichter, die Arbeit aber etwas weniger unangenehm. Wir spritzen mit Netzschwefel (jaja, ich weiß, Wartezeit 55 Tage, wir haben es den 2. August, nun rechnet mal) und Kupfer, danach riecht man ... äh .. etwas streng. Und man ist hübsch gleichmäßig benetzt.

Unsere liebe Freundin Susa hat an anderer Stelle ja schon einmal beschrieben, wie derbe ich über Brombeeren und Dornen fluchen kann. Liebe Susa, Du hättest mich heute mal erleben sollen. Meine Spritze leckt, und so liefen mir schön gleichmäßig mindestens 1,5 Liter Spritzbrühe über den Rücken ins T-Shirt, den Rücken hinunter durch Hose und Unterhose bis in die Stiefel. Ok, ich bin jetzt gegen jegliche Art von Pilzen tiefenimprägniert (mein Autositz übrigens auch), aber schön ist anders.

Unsere Spritztour hatte auch noch ein anders Ziel: Der Eisenwarenhändler uV feierte 50jähriges Betriebsjubiläum. Mit persönlicher Einladung, persönlicher Rückmeldung (theoretisch) und Schnick und Schnack.
Frisch geschwefelt sollte man sich eher nicht unter Menschen begeben, also haben wir einen Zwischenstopp an der Quelle eingelegt - waschen, trocken, Kleider wechseln. Ab nach Bacharach! (Ich sag's mal so: Wahrscheinlich hätte es keiner bemerkt ...).

Bacharach, "Gummibahnhof". Auftritt: Der Inhaber, der uns strahlend für den schönen Artikel dankt, er habe erst jetzt ... Ich: "???". Der Hospitant: "???". Der Inhaber: "Internet! Und der Bürgermeister hat die Geschichte vorhin vorgelesen! Alle waren begeistert!"

Ich ... ahne ... da war was ... Himmel .. raune dem Hospitanten unauffällig zu: "Habe ich da irgendwelche kleinen Gemeinheiten abgefeuert?" Er: "Keine Ahnung. Wahrscheinlich schon." Danke, Du bist mir wirklich eine große Hilfe.

Im Laufe der nächsten Stunden bei Riesling, Bratwurst und Mokkacremetorte werden wir noch etliche Male auf diesen "schönen (Blog)Artikel" angesprochen - ausnahmslos begeistert. Da sage noch einer, Blogs lese ohnehin keiner.



Und auf dem Rückweg habe ich schnell noch mal selbst nachgelesen - nein, keine Gemeinheiten, einfach nur das echte Leben.

Zum Jubiläum hat André Heisecke nicht nur massenweise Blumen bekommen, sondern auch eine Schatzkiste mit 50 Weinen - zusammengetragen von der Vereinigung der Bacharacher Winzer. Jeder hat 2 Flaschen beigesteuert. Zum Öffnen der Kiste braucht man natürlich einen Schraubenzieher, der nur bei André Heisecke erhältlich ist.



Und es gab Reden und Gedichte. Von einem besonders launigen habe ich mir nur die letzten drei Zeilen notiert:
"... oder ist bei Dir ne Schraube locker
Geh zu André in sein' Laden
der hat ne Lösung für Dein' Schaden!"


Cheers!

Dienstag, 13. Mai 2014

Alt. Neu. Entdeckt. Teil 2.

Weil Rüdesheim ja so weit weg liegt und weil wir durch Rüdesheim eigentlich immer nur durchfahren, müssen wir, wenn wir denn schon mal in Rüdesheim sind, ... *lufthol* ...

Die Wahrheit ist, wie immer, sehr viel simpler, eine Anzeige in der Lokalpostille (für Insider: Pflücke den Tag), ein Weingut, von dem wir noch gehört hatten, eine schnelle Googlerecherche und (wie erwähnt) ein verregnetes Wochenende, an dem wir eh schon nach Rüdesheim fahren (zum Glück).

daskleineRieslingGut. Rüdesheim, wie gesagt. Das Navi verschluckt sich bei der Anfahrt und versucht hartnäckig, uns in die Garage des Hotels Krone zu lotsen. Da wären wir gar nicht so verkehrt gefahren, wie wir später lernen. Also Auto abstellen und die paar Schritte im NieselPlatzregen zu Fuß gelaufen.

Von der kopfsteinholprigen Gasse geht es in einen kleinen Probierraum. Betonboden, Gitterboxen, Edelstahltanks. Fertig.



Zwei Stehtische, Christoph Schütt und Andreas Frosch schenken selbst aus. Wir wissen zu diesem Zeitpunkt nur das, was wir uns ergoogelt haben. Neugründung, dritter Jahrgang (kommt uns bekannt vor), ein Hektar in neun Lagen im Rheingau, nur Riesling.

Der Jahrgang 2013 umfasst fünf Weine, vom trockenen "Basis" bis zum "Charisma". Ach, und die "Zicke" gibt es ja auch noch.

Basis. QbA trocken, rheingautrockene 8 Gramm Restzucker, 12% vol. Guter Einsteiger, Würze, saftige Frucht.

Magda.  QbA feinherb. 19 Gramm Restzucker, gut 8 Gramm Säure, 11,5% vol. Ein Maulvoll Wein, ungemein saftig, frisch und süffig. Easy drinking auf hohem Niveau.

Apropos ... Niveau. Der einzige Wein mit zumindest einer Ortsbezeichnung - Rüdesheimer - und der "furztrockene" mit 4 Gramm Restzucker. Auch "nur" 11,5 %vol. Typischer Rüdesheimer mit einem ganz anderen Charakter als die eher fetten, breiteren (wenn man davon reden kann) Rieslinge aus den Oestricher und Hallgartener Lagen. Gut! Fest! Spannend!

Charisma. 10 Stunden Maischestandzeit. 12% vol. Noch sehr unruhig, hefig, aber schon mit unheimlich viel Druck. Jetzt schwierig zu probieren, aber man ahnt das Potential. Hinlegen!

Und die Zicke. Riesling süß. 74 Gramm Restzucker. Vorne süß und limonadesaftig, rosa Grapefruit, Limette, einfach lecker (sorry Sam). Und hintenraus, "holla die Waldfee", ein eigenwilliger Kick, der diesen Wein vor der Belanglosigkeit bewahrt.

Eindeutig sehr! viel mehr als eine Hobbyklitsche (was man auch an Homepage, Etiketten, Vermarktungsstragegie sieht) und eindeutig bemerkenswert und merk-würdig, aber gar nicht seltsam.

daskleineRieslingGut - klein, Riesling, GUT!