Dienstag, 30. Juli 2013

Es ist ...

... ein Teller! Jetzt wird's ernst. Dabei hat der Praktikant es ja vorab schon verkündet, aber je näher das prognostizierte NiederkunftsAnkunftsdatum rückte, desto nervöser wurden wir.
Dann landete das Päckchen auch noch zunächst im Nachbarhaus und erreichte uns mit Verzögerung, kurzum, eine schwierige Geburt.

Aber dann! Vorsichtig auspacken, nicht, dass das gute Stück Schaden nimmt. 

Feines Oma-Porzellan. Auf der Fahne üppige Bauernmalereiblüten. In der Mitte Streublümchen. Geschwungener, goldverzierter Rand. 
Zwei Henkelgriffe, eigentlich kein Essteller im eigentlichen Sinne, mehr eine Platte zum Servieren feiner Speisen. Petra Hildebrand hat den Teller "ausgegraben" und auf eine Reise mit ungewissem Verlauf und Ausgang geschickt. Klar ist nur: Dieser Teller ist eine Bühne. Für wunderschöne Kreationen wie Forelle mit Pfifferlingen, eine grundsolide Weißwurschtjause mit guter Brezel oder einfach ein paar allerliebste Eclairs.

Lange haben wir überlegt, was diesem Teller angemessen wäre. Eigentlich ein richtig schönes altmodisches Omagericht - Königsberger Klopse oder Rinderrouladen. Oder Gulasch. Also lauter Leibgerichte, die fotographiert eine ähnlich gute Figur machen wie ein Teller Haferschleim (auch ein Omagericht). Suppe aus frischen grünen Erbsen mit Grießklößchen wäre noch eine Idee gewesen (sieht auf einem flachen Teller aber Panne aus) oder meine geliebte Rote Grütze.

Die darf ich nicht kochen, weil der Hospitant nicht nur den Schwarzen Gürtel im Smørrebrødmachen hat, sondern auch amtierender Rheingauer Meister im Dessertmachen ist. Und dieses Mal will ich kochen. 
Petit fours, so kleine Köstlichkeiten, mit Zuckerguss und Silberperlchen verziert, das wäre was, aber als staatlich anerkannte Backniete traue ich mich da nicht dran. Das können andere besser!

So hübsche Nebeneinanderschnörkeleien  (wie sie der Praktikant in Formvollendung ausgarniert) sind nicht mein Ding - ich bewundere die Tellerkunst gerne, neige aber doch eher zu etwas rustikaleren und pragmatischeren Umsetzungen.

Irgendwas mit Blüten wäre nett. Rosen-Melonen-Salat? Auch nicht gerade photogen.

Die Sonne brennt, mein Hirn fühlt sich total leer an, und beim Einkaufen springt mich ein Schälchen allerliebster aromatischer Kirschtomaten an. Da war doch was - Tomaten, Maishuhn, Lavendelhonig, bei Arthurs Tochter entdeckt und viel zu selten nachgekocht. Und Lavendelblüten machen sich da auch noch gut, da haben wir doch unsere Blümchen. Und, wie der Zufall es will, im heimischen Eis schlummern noch vier Maispoulardensuprêmes ...

An den Herd, Marsch-Marsch. Beziehungsweise - an den Kühlschrank, denn bei aller Begeisterung habe ich überlesen und verdrängt, dass die Brüstchen mariniert werden müssen. Auch fein, gibt es eben Brot mit Höhlenkäse als Abendessen. Und dazu die Tomaten, roh. Ich notiere: Neue kaufen!

Und am Ende eines weiteren Tages ...


 
Das Originalrezept stammt aus dem wunderbaren Kochbuch "Tomate", Collection Rolf Heyne. Nicht mehr ganz neu, aber absolut empfehlenswert.

Huhn mit Lavendelhonigglasur auf Schmortomaten

Meine Version sieht so aus:



Gewürzmischung
  •     1/2 El Fenchelsamen
  •     1 TL Koriandersaat
  •     2 Gewürznelken
  •     4 Pimentkörner
  •     5 schwarze Pfefferkörner
  •     1/2 frisches Lorbeerblatt
  •     1 TL Paprikapulver
  •     1/2 EL frischer Thymian
  •     1/2 TL wilde Fenchelblüten
  •     1/2 TL Lavendelblüten
Die ersten sechs Zutaten (bis einschl. Lorbeer) trocken anrösten, abkühlen lassen. Dann alle Zutaten fein mörsern bzw. mahlen.

Glasiertes Huhn

  •     1 Freilandhuhn, ca. 1,3 Kg - hier: vier Maispoulardensuprêmes à 150 g
  •     Salz
  •     4 Esslöffel Armagnac - hier: ordentlicher Schuss
  •     800 g Tomaten - hier: 400 g Kirschtomaten
  •     50 g Salzbutter - hier: aus dem Handgelenk, nicht gewogen
  •     250 g Lavendelhonig - hier: ca. 100 g
  •     2 EL Sherryessig - hier: 2 EL TBA-Essig (aus eigener Produktion, beiseite gestellt und eigentlich gedacht zum Auffüllen beim Filtrieren und dann vergessen ... guter Stoff!)
  •     frische Lavendelblüten
  •     frische Wildfenchelblüten
Die Geflügelteile trockentupfen, salzen, mit der Gewürzmischung bestreuen und in eine dicht schließende Kunststoffdose legen, mit dem Armagnac übergießen. Im Kühlschrank mindestens 6 Stunden marinieren, ab und zu wenden - hier: 20 Stunden.

Eine halbe Stunde vor der Zubereitung aus dem Kühlschrank nehmen, abtropfen lassen. Die Teile in eine Auflaufform oder Fettpfanne legen. Die Tomaten waschen und dazulegen, die Geflügelteile mit Butterflöckchen belegen.
Im vorgeheizten Backofen bei 160° C ca. 20 -30 Minuten braten.

Essig und Honig in einem Töpfchen erwärmen, bis der Honig flüssig wird, restliche Gewürzmischung dazugeben - hier: vergessen, ist alles am Huhn - und die Geflügelteile dünn damit bestreichen. Temperatur auf 180° C erhöhen, Glasiervorgang 2-3 mal wiederholen, insgesamt dauert das 5-8 Minuten. Evtl. zum Schluss den Grill zuschalten.
Ofen ausschalten, Tür leicht öffnen, 5 Minuten ruhen lassen.

Eine Portion auf einem schönen Teller anrichten, mit geschmorten Tomaten, Bratenjus, Lavendelblüten und wilden Fenchel ausgarnieren. Oder einfach nur unfallfrei drapieren.

Puh, das hat geklappt. Der Teller ist bereits gespült und geht morgen auf die Reise zu Torsten Goffin von "Allem Anfang", den wir zunächst über ein Bloggerevent und dann bei einer wunderbaren Session beim Vinocamp 2013 kennen lernen durften.

Und noch ein kleiner Tipp an alle Tellerreisenden, die - wie wir - das Paket so knapp wie möglich öffnen, um die perfekte Schutzverpackung nicht zu beschädigen - auf der (in diesem Falle) anderen Seite liegt ein Blatt mit den Spielregeln, auf dessen Rückseite man unterschreiben kann ... wenn man es in letzter Sekunde findet.

Die Tassen hoch! Es lebe der Teller!